Angst und Hass: „Die Welt gerät aus den Fugen“
67. Lindauer Psychotherapiewochen laden Bürger zu den öffentlichen Veranstaltungen ein - Jetzt bei der VHS anmelden
LINDAU (roi) - Aktueller und brisanter könnten die Themen nicht sein, mit denen sich die Lindauer Psychotherapiewochen beschäftigen. Vom 9. bis 14. April geht es um „Angst, Ressentiment und Hoffnung“, in der zweiten Woche (16. bis 21. April) dreht sich alles um „Hass, Fanatismus und Versöhnung“. Rund 4000 Teilnehmer werden in den beiden Wochen nach Lindau reisen. Trotz des großen Andrangs hat die Tagungsleitung auch dieses Jahr Kontingente für Lindauer Bürger freigehalten. Karten zu reduzierten Eintrittspreisen gibt es ab sofort und ausschließlich über die Lindauer Volkshochschule.
„Lindau ist schon etwas Heimat“, sagt Verena Kast, die wissenschaftliche Leiterin der Lindauer Psychotherapiewochen. Die sind bereits zum 67. Mal in Lindau. Der Tagungsleitung sei es immer wichtig gewesen, dass es auch „ein Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Lindauern und der Tagung gibt“. Vor diesem Hintergrund ist das Bürgerprogramm entstanden, dessen Erlös die Lindauer Psychotherapiewochen an Lindauer Einrichtungen spenden.
Die Zeiten, in denen die Tagungsleitung das Gefühl hatte, dafür zu wenig zurückzubekommen, seien längst Geschichte. „Da haben wir dreimal gemotzt“, erinnert Kast, und seither gebe es ein „wunderbares Programm“. Für das Rahmenprogramm, das die Lindau Tourismus und Kongress GmbH und Lindauer Einrichtungen für die Psychotherapiewochen auf die Beine stellen, sei sie „sehr dankbar“. Von speziellen Führungen durch die Klee-Ausstellung über Weinproben bis hin zu Tango-Tanzkursen und Nachtwächterrundgängen sollte jeder Gast etwas finden, das ihm Spaß macht. Kast betont ausdrücklich das „freundliche gute Miteinander“, das über Jahrzehnte gewachsen sei.
Initiativen der Hoffnung: Angebote mit großer Wirkung
„Die Welt gerät etwas aus den Fugen“, spielt Kast auf die aktuellen und brisanten Themen der diesjährigen Tagung an. Die generelle Angstsituation spiele auch in der Arbeit der Psychotherapeuten eine Rolle: Es sind Themen, die die Patienten mitbringen und so in den klinischen Alltag einfließen. Aus Angst entstünden Ressentiments. Die Hoffnung als „Imagination des Besseren“sei der Ausweg aus dieser Spirale. „Die haben wir solange wir leben“, so Kast.
Mit der „Angst vor dem Fremden“befasst sich der Politiksoziologe Marc Helbling in seinem Eröffnungsvortrag. Interessant dürften auch die Angebote für Menschen sein, die mit Flüchtlingen arbeiten. Hier geht es unter anderen um „Herausforderungen in der Arbeit mit Kindern von Geflüchteten“und „Grenzen des Engagements in der Psychotherapie mit Geflüchteten“. Spannend sind auch die „Initiativen der Hoffnung“, wo verschiedene Referenten „niederschwellige Angebote mit großer Wirkung“vorstellen: vom Theaterprojekt bis hin zu Malaktionen mit Geflüchteten.
In der zweiten Woche dreht sich alles um „Hass, Fanatismus und Versöhnung“. Hass sei laut Kast eine „Gefühl und eine Haltung, die den anderen wegstößt“. Thomas Kron stellt in seinem Eröffnungsvortrag „Soziologische Überlegungen zum Terrorismus“an. Dass Migration und Flüchtlinge kein neues Thema sind, zeigt der Vortrag von Andreas Kossert: „Herzlich willkommen? Erfahrungen von Flüchtlingen und Vertriebenen in Deutschland nach 1945.“Auch in dieser Woche können Lindauer Fachleute praktische Tipps mitnehmen: Beispiele zeigen, dass Psychotherapie bei Migranten und Geflüchteten voraussetze, sich in die jeweilige Kulturen hineinzudenken, so Kast.
Um Fanatismus als extreme Form des Narzissmus geht es in dem Vortrag „Der Mensch als Bombe“von Wolfgang Schmidbauer. Christina von Braun, die laut Kast dafür bekannt sei, „das Pferd auch mal gegen den Strich zu bürsten“, spricht über „Das Behagen im Hass“. Tilman Evers zeigt dagegen in seinem Vortrag „Wege zur Versöhnung“auf.
Verena Kast hofft, dass diese Themen auch die Lindauer interessieren und freut sich auf die 67. Tagung. Die findet wegen des Umbaus der Inselhalle noch einmal im Vortragszelt auf der Hinteren Insel statt. „Wir werden das Zeltfeeling noch einmal voll auskosten“, sagt Kast schmunzelnd. „Ich hoffe, dass wir nicht wieder Schnee haben.“