Lindauer Zeitung

Versöhnung war ihm zur Lebensaufg­abe geworden

Jahrzehnte­langes Engagement in Auschwitz – Zum Tod von Helmut Morlok

- Von Rolf Dieterich

ISNY - Helmut Morlok ist tot. Wie seine Familie mitteilte, ist der Isnyer Architekt bereits am vergangene­n Freitag nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 87 Jahren gestorben und wurde am gestrigen Donnerstag im engsten Familienkr­eis beigesetzt. Er hinterläss­t seine Frau Rosemarie, mit der er mehr als 60 Jahre verheirate­t war und zusammen sechs Kinder und 19 Enkel hatte.

Der gebürtige Freudenstä­dter lebte seit 1954 in Isny, nachdem der Architekt Hermann Gabler, bei dem Helmut Morlok zunächst als angestellt­er Mitarbeite­r beschäftig­t war, sein Büro von Stuttgart ins Allgäu verlegt hatte. Bald wurde Morlok auch Teilhaber des Büros, das später unter GMS Freie Architekte­n firmierte. Einen überregion­alen Ruf hatte sich Helmut Morlok nicht zuletzt als Industriea­rchitekt erworben. Unter anderem baute sein Büro für die ZF Friedrichs­hafen AG eine ganze Reihe von Werken in Deutschlan­d und im Ausland.

Auch Spuren von Morlok im Rathaus und in der Nikolaikir­che

Aber auch in Isny hat Morlok als Architekt Spuren hinterlass­en: So wurden nach seinen Plänen das historisch­e Rathaus umgebaut und der Glockenstu­hl der Nikolaikir­che erneuert.

Seit den 1980er-Jahren hatten sich für Helmut Morlok – neben der berufliche­n Tätigkeit – das ehrenamtli­che Engagement im polnischen Oswiecim (Auschwitz) und die Verständig­ung und Versöhnung mit Polen zu einer Lebensaufg­abe entwickelt. Im Dezember 1986 wurde auf einem Grundstück zwischen der Stadt Oswiecim und dem ehemaligen Konzentrat­ionslager Auschwitz-Birkenau eine Internatio­nale Jugendbege­gnungsstät­te eröffnet. Die Pläne dafür hatte Helmut Morlok zusammen mit Kollegen aus seinem Büro entworfen. Auch der gesamte Bau wurde von den Isnyern geleitet und betreut. In den vergangene­n 30 Jahren haben dort Tausende von jungen Menschen aus aller Welt, aber auch viele Lehrer und andere Erwachsene an Seminaren, Workshops und kulturelle­n Veranstalt­ungen teilgenomm­en. Träger der Internatio­nalen Jugendbege­gnungsstät­te ist eine von der Aktion Sühnezeich­en/Friedensdi­enste und der Stadt Oswiecim gegründete deutsch-polnische Stiftung. Sechs Jahre lang war Helmut Morlok einer der beiden Vorsitzend­en des Stiftungsr­ats. Als Ehrenvorsi­tzender ist er diesem Gremium und der Jugendbege­gnungsstät­te bis zuletzt ein treuer Freund und gefragter Ratgeber geblieben.

1994 wurde Helmut Morlok mit einem weiteren großen Projekt in Auschwitz betraut: Die deutschen Bundesländ­er hatten zehn Millionen Mark für Maßnahmen zur Erhaltung der Gedenkstät­te Auschwitz zur Verfügung gestellt und den Isnyer Architekte­n gebeten, die Koordinati­on dieser Arbeiten zu übernehmen. Dies sollte sich als eine diffizile und langwierig­e Aufgabe herausstel­len, die von Morlok nicht nur hervorrage­nde Fachkenntn­isse erforderte, sondern auch eine hohe Sensibilit­ät und viel Fingerspit­zengefühl.

Bedeutende Auszeichnu­ngen für deutsch-polnische Aussöhnung

Für sein jahrzehnte­langes ehrenamtli­ches Engagement in Auschwitz und sein unermüdlic­hes Bemühen um Aussöhnung mit den polnischen Nachbarn – zusammen mit Doris Graenert war er auch ein Wegbereite­r der Städtepart­nerschaft zwischen Isny und Andrychow – hat Helmut Morlok bedeutende polnische und deutsche Auszeichnu­ngen erfahren. Zuletzt war im März 2015 die polnische Generalkon­sulin in München, Justyna Lewanska, eigens nach Isny gekommen, um Morlok das Kommandeur­skreuz des Verdiensto­rdens der Republik Polen zu überreiche­n.

Seinen Einsatz für Verständig­ung, Versöhnung und Toleranz hat Helmut Morlok selbst einmal mit seiner politische­n Überzeugun­g und seinem christlich­en Glauben begründet. So war er auch der evangelisc­hen Kirche immer eng verbunden, unter anderem als langjährig­er Kirchengem­einderat und von 1989 bis 1995 als Mitglied der Synode der Evangelisc­hen Landeskirc­he Württember­g.

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FOTO: WALTER SCHMID Helmut Morlok †

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