Kleiner SUV ganz groß
Der neue Audi Q2 erweist sich nicht nur in der Stadt als moderner, praktischer und edler Gefährte
Die Frage drängt sich auf in dieser Woche: Kann man in Zeiten, in denen Staatsanwälte im Zuge von Diesel-Affäre und manipulierter Abgas-Software die Audi-Zentrale in Ingolstadt auf den Kopf stellen, einen vorwiegend positiven Testbericht über den neuen Q2 schreiben? Zumal, wenn ein – bislang nicht beschuldigter – Selbstzünder mit 150 PS unter der Haube des kompakten SUV brummt? Machen wir es kurz: Man muss wohl, um bei der Wahrheit zu bleiben. Der Q2 verdient sich in den meisten Bereichen Bestnoten. Sein Durst (6,6 Liter) ist – auch angesichts von Winterreifen und eisigen Temperaturen – deutlich höher als versprochen, aber keineswegs zügellos. Und die Abgaswerte des 2.0 TDI quattro haben wir zwar nicht gemessen, schenken aber ausnahmsweise unseren Augen Glauben, die einen AdBlue-Tank zur Stickoxid-Reduktion ausgemacht haben. Wenigstens etwas. Der Rest ist Vertrauens- und inzwischen hoffentlich auch Ehrensache.
Doch wenden wir uns erfreulicheren Dingen zu, von denen der kleine, aber wesentlich moderner ausgestattete Bruder des in die Jahre gekommenen Q3 eine ganze Menge zu bieten hat. Etwa in puncto Optik, die jüngst beim German Design Award mit Gold prämiert wurde. Zu Recht, wie wir finden. Der nur 4,19 Meter lange und damit innenstadttaugliche Konkurrent von Mercedes GLA, Opel Mokka oder auch Mini Clubman zeigt Ecken und Kanten – eine Tugend, die leider oft in Vergessenheit zu geraten scheint. Besonders gelungen dabei die Seitenansicht mit dem coupéartig abfallenden Dach sowie der scharf gezogenen Schulterlinie, die sich unterhalb der Fenster teilt und eine konkave Fläche mit sechs Ecken entstehen lässt. Das gefällt sogar den befragten Damen, die SUV ansonsten für eine neumodische und außerdem überflüssige Krankheit halten. Schlucken müssen sie dafür den durchaus robusten Look an Front und Heck.
Alles andere als robust – nichts anderes erwarten wir schließlich von einem Audi – empfängt der Innenraum die Passagiere. Dass der Q2 auf der Grenze zwischen Klein- und Kompaktwagen rollt, ist hier nicht mehr zu spüren. Überzeugend die Ablagemöglichkeiten und das Platzangebot vorn wie hinten, lediglich der Zugang zum Fond des Fünftürers hätte etwas breiter ausfallen dürfen. Ausgesprochen hübsch die fast durchweg edle Materialanmutung und Spielereien wie etwa das LEDLichtpaket, mit dem die Dekorleisten der Instrumententafel und die Mittelkonsole hinterleuchtet werden. Überaus bequem das Sportgestühl in leicht erhöhter Position. Urlaubsreise über viele Stunden – wo sind deine Schrecken?
Gewiss nicht im praktischen und überraschend großen Kofferraum von Audis kleinstem SUV. Geschickt die breite Ladeöffnung, unerfreulich – wir werden nicht müde, darüber zu klagen – die hohe Ladekante, die das Zeug hat, den Start in die schönsten Wochen des Jahres zu vermiesen. Ein
bisschen Trost spenden da die nützlichen Netze und das Zusatzfachfach unterm Kofferraumboden, in dem ein Teil der Schuhe der Gemahlin einen standesgemäßen Platz finden könnte. Pfiffiges Detail am Rande: Halterungen verhindern das Zurückklappen der Auslegware am Boden, beide Hände bleiben also während der Beladung frei. Das spart Zeit und Nerven.
Müssen wir – bei so viel Sinn fürs Praktische – überhaupt noch erwähnen, dass das brillante, gestochen scharfe Virtual Cockpit (natürlich gegen Aufpreis) Einzug gehalten hat in den Q2, wo der 12,3 Zoll große TFT-Bildschirm nun entweder die Navigationskarte, die Listen für Telefon und Radio oder eben Drehzahlmesser und Tacho ins Blickfeld des Fahrers rückt? Dass Infotainment und Navigation beispielsweise mit Echtzeit-Verkehrsmeldungen auf der Höhe der Zeit sind und auch von älteren Zeitgenossen mit etwas Geduld und Routine bedient werden können? Dass einwandfrei funktionierende Assistenzsysteme aus der Oberklasse – Abstandsregeltempomat etwa oder aktive Hilfe beim Spurhalten und Einparken – ihren Weg nach unten gefunden haben? Nein, das müssen wir wahrscheinlich nicht gesondert herausstreichen.
Allenfalls die Sprachsteuerung, die auf simple Sätze wie „Ich habe Hunger“oder „Ich will tanken“mit entsprechenden Vorschlägen reagiert und diese ans Navi weiterleitet, verdient sich noch ein Sonderlob. Und um ein wenig Wasser in den Wein zu schütten, noch ein Wort zum Head-up-Display, einer kleinen, ausfahrbaren Plastikscheibe: Die Platzierung ist – wohlwollend formuliert – suboptimal und lenkt den Blick zu weit weg vom Verkehrsgeschehen. Das können Systeme, die Tempolimit oder Navigationshinweise auf die Windschutzscheibe projizieren, wesentlich besser.
Sie vermissen noch den ein oder anderen Satz zu Motor und Fahrverhalten? Sie glauben, wir wollen uns angesichts des Diesel-Skandals drücken? Keineswegs! Sicher ist nämlich: Der 150 PS starke Selbstzünder nebst feinem Doppelkupplungsgetriebe versieht seinen Dienst unaufgeregt, ruhig, souverän und ausreichend durchzugsstark bei einem Transportgewicht von knapp 1,5 Tonnen. Das adaptive Sportfahrwerk erweist sich auch auf schlechteren Straßen als kommod. Die nicht übertrieben direkte Progressivlenkung in Verbindung mit dem Allradantrieb lässt den Spaß am Kurvenfahren auch bei einem SUV wachsen. Und die Sache mit den Abgasen? Hat sich hoffentlich in Luft aufgelöst – in halbwegs saubere, wohlgemerkt.