Schamlose Lügen vor Gericht
Neuer Kinofilm von Regisseur Mick Jackson greift das Thema der Leugnung des Holocaust auf
Über mehrere Jahre war die Verfilmung des Buches „History on Trial: My Day in Court with David Irving“(auf deutsch: Geschichte auf dem Prüfstand: Mein Tag vor Gericht mit David Irving) in Entwicklung. So konnten die Macher wohl auch kaum ahnen, wie schmerzhaft aktuell ihr Film „Verleugnung“beim Kinostart sein würde, wenn die ganze Welt über „Fake News“und „alternative Fakten“diskutiert. Ein amerikanischer Präsident, der haltlos behauptet, er habe Tausende Muslime in New Jersey nach den Anschlägen des 11. September tanzen sehen; eine französische Präsidentschaftskandidatin, die die Mitschuld Frankreichs an der Deportation der französischen Juden leugnet; ein deutscher AfD-Politiker, der „eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“fordert: Das sind die Zeiten, in denen der Film über den Prozess von Deborah Lipstadt besonders brisant erscheint.
Spektakel statt Argumentation
Die hier von Rachel Weisz gespielte amerikanische Historikerin war allenfalls in Fachkreisen bekannt, bis sie unerwartet ins Licht der globalen Öffentlichkeit rückte. In ihrem auch in Deutschland erschienenen Buch „Leugnen des Holocaust. Rechtsextremismus mit Methode“nannte sie den britischen Holocaust-Leugner David Irving einen Geschichtsfälscher und Bewunderer Hitlers. Dieser verklagte darauf im Jahr 1996 die Autorin und ihr britisches Verlagshaus wegen Beleidigung, übler Nachrede und Geschäftsschädigung. Lipstadt ließ es auf einen Prozess ankommen und dieser steht dann auch im Mittelpunkt von „Verleugnung“.
Zu Beginn des Films sieht man David Irving (Timothy Spall) noch im Schatten lauern, doch eigentlich sucht der Brite das Rampenlicht. So sprengt er eine Lesung der Forscherin, wirft ihr unbewiesene Unterstellungen vor und lobt 1000 Dollar für jeden aus, der ihm den Beweis für Hitlers Befehl zur Ermordung der Juden vorlegen könne. Spektakel statt sachlicher Argumentation und Recherche – dieser populistischen Strategie bedient sich auch Irving und veröffentlicht eine Aufnahme der Auseinandersetzung umgehend auf seiner Website.
Dieses um Öffentlichkeit heischende Vorgehen stellt auch das juristische Team um Lipstadt vor eine Herausforderung: Soll man solch einem Menschen wirklich die Bühne eines Prozesses bieten? Die profilierten Anwälte Richard Rampton (Tom Wilkinson) und Anthony Julius (Andrew Scott) entscheiden sich daraufhin, keine Holocaust-Überlebenden als Zeugen aufzurufen und sich ganz auf die mangelnde Glaubwürdigkeit Irvings einzuschießen – eine Entscheidung, die bei Lipstadt auf Widerspruch stößt …
Die Debatten vor und während dem Prozess sind dann auch die Stärke des Films und werfen Fragen zur Beweiskraft historischer Fakten und den Grenzen der Meinungsfreiheit auf. Reizvoll ist auch das Aufeinandertreffen der quirligen Amerikanerin mit dem für sie sehr fremden britischen Rechtssystem und seinen distinguierten Vertretern. Inszenatorisch bietet der Film von Mick Jackson, der schon bei so unterschiedlichen Streifen wie „Volcano“und „The Bodyguard“Regie führte, solides Handwerk und erinnert teils eher an ein TV-Drama. Die unaufgeregte Herangehensweise lenkt dafür aber auch nicht mit künstlicher Dramatik vom Kern der Auseinandersetzung ab.
Timothy Spall, der bezeichnenderweise schon den „Wurmschwanz“in den Harry-Potter-Filmen spielte, inszeniert seinen Irving als pompös-verschlagenen Egomanen. Die Dialoge im Gericht wie auch das Urteil entsprechen den offiziellen Dokumenten, und so muss auch im Film Irving ein vernichtendes Urteil hinnehmen. Für den Zuschauer ist dies in Zeiten, in denen man offenbar mit schamlosen Lügen problemlos Politik machen kann, eine zutiefst befriedigende Erfahrung.