Der Meister hinter der Kamera
Der berühmte Kameramann Michael Ballhaus ist 81-jährig in Berlin gestorben
BERLIN (sz/epd) - Kameraleute sind in der Regel nicht so bekannt wie Regisseure. Doch es gibt Ausnahmen. Michael Ballhaus ist so eine. Der Mann, der für Fassbinder, Scorsese oder Redford hinter der Kamera stand, ist wohl der berühmteste Kameramann. Der Mann, der in Franken aufgewachsen, beim damaligen Südwestfunk in Baden-Baden seine Ausbildung gemacht hat und über 100 Kinofilme gedreht hat, ist tot. Wie die Familie des Filmkünstlers bekannt gab, ist Michael Ballhaus in der Nacht vom 11. auf den 12. April 2017 nach kurzer Krankheit im Alter von 81 Jahren in seiner Berliner Wohnung gestorben.
Michael Ballhaus stammte aus einer Theaterfamilie, 1935 in Berlin geboren, kam er mit seinen Eltern nach Franken, in die Nähe von Coburg, wo seine Mutter ein kleines Privattheater aufbaute. Die Kunst war, wie es so schön heißt, also in die Wiege gelegt. Der junge Ballhaus interessierte sich zunächst für Fotografie, aber bald interessierte ihn der Film. Seit 1960 arbeitete er beim Südwestfunk in Baden-Baden.
Freundschaft mit Fassbinder
Dort lernte er auch Rainer Werner Fassbinder kennen und drehte 1970 für ihn „Whity“. Es war der Beginn einer schwierigen Freundschaft. 15 Filme haben sie bis 1978 zusammen gemacht: „Martha“(1973), „Despair“und „Die Ehe der Maria Braun“(beide 1978). Die 360-Grad-Kamerafahrt um Margit Carstensen und Karlheinz Böhm in „Martha“ist legendär. Die Dynamik dieser Einstellung signalisiert ohne ein Wort der Erläuterung, dass dies eine schicksalhafte Begegnung ist. Ballhaus’ Maxime, die Kamera soll erzählen, was sich in Worten nicht sagen lässt, ist hier ideal erfüllt. Doch über „Berlin Alexanderplatz“zerbrach diese außerordentlich fruchtbare künstlerische Zusammenarbeit.
1982 dann ein Glücksfall: Ballhaus sprang bei „Dear Mr. Wonderful“als Kameramann bei Peter Lilienthal ein. Bald wurde auch Martin Scorsese auf ihn aufmerksam. Von Anfang an war es eine Zusammenarbeit zwischen zwei Künstlern auf Augenhöhe. Sie haben berühmte Filme gemacht, „Die letzte Versuchung Christi“, „Die Farbe des Geldes“, „Zeit der Unschuld“, „Good Fellas“, „Gangs of New York“, „Unter Feinden“und und und. Mit Mike Nichols drehte er „Die Waffen der Frauen“oder „Grüße aus Hollywood“, mit Volker Schlöndorff „Tod eines Handlungsreisenden“.
Ballhaus erhielt viele Preise, darunter den Ehrenbären der Berlinale, aber ein Oscar war der Academy das Werk dieses Künstlers nie wert, obwohl er dreimal nominiert war. 2007 hat er Hollywood den Rücken gekehrt. Das hing wohl auch mit dem Tod seiner Frau Helga zusammen, die im Herbst 2006 starb. Er hatte sie als Kostümbildnerin bei Fassbinder kennengelernt. Sie war über Jahrzehnte seine wichtigste Mitarbeiterin. Mit ihr hat er zwei Söhne, die heute auch im Filmgeschäft sind und mit denen Ballhaus auch öfters zusammengearbeitet hat.
Mit den Augen gelebt
Nach dem Tod seiner Frau zog Ballhaus nach Berlin und heiratete 2011 die Regisseurin Sherry Hormann, an deren Film „3096 Tage“über die Kampusch-Entführung er beteiligt war. Ballhaus gab seine Erfahrung an Filmstudenten weiter und gründete eine Klimaschutzinitiative.
2014 veröffentlichte er zusammen mit Claudius Seidl seine Erinnerungen unter dem Titel „Bilder im Kopf. Die Geschichte meines Lebens“bei der DVA. Darin berichtete er erstmals über seine schwindende Sehkraft. Das Buch beginnt mit dem Satz „Dies sind die Erinnerungen eines Mannes, der mit seinen Augen gelebt und gearbeitet hat.“