Anneliese Spangehl hat sich ein Leben lang engagiert
Die Lindauer Ehrenbürgerin hat am Sonntag ihren 90. Geburtstag gefeiert
LINDAU-INSEL (ee) - Sie ist Stadträtin und Kreisrätin gewesen, als erste Frau im Landkreis Lindau sogar stellvertretende Landrätin. Viele Inselkinder haben sie in ihrer Grundschulzeit als Lehrerin geliebt: Es gibt kaum einen Lindauer, der Anneliese Spangehl nicht kennt. Einer der bewegendsten Augenblicke im Leben der Insulanerin ist jener Tag vor zwei Jahren gewesen, an dem sie die Urkunde als Lindauer Ehrenbürgerin erhalten hat – als erste und bisher einzige Frau in der Stadt. Gestern, am 23. April, hat Anneliese Spangehl ihren 90. Geburtstag gefeiert.
Erst sprachlos, dann Freudentränen: So hatte Anneliese Spangehl nach eigenen Worten vor zwei Jahren die Nachricht von der Ehrenbürgerschaft aufgenommen. Die Stadt hat damit eine Frau ausgezeichnet, die sich viele Jahrzehnte lang in ihrer Heimat engagiert hat: als Pädagogin, als Kommunalpolitikerin, als Stimme der (nicht nur älteren) Menschen in Stadt und Kreis. Aber auch jene, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, wissen Spangehls Engagement zu schätzen. Denn seit fast einem Vierteljahrhundert gehört sie zum Team der LZ-Bürgeraktion Wir helfen, ist Ansprechpartnerin für Menschen aus Lindau und Umgebung, die unverschuldet in Not geraten sind.
Als junge Grundschullehrerin hatte Anneliese Schneider (so ihr Mädchenname) zunächst in Weißensberg unterrichtet, später in Reutin. „Liebevoll, herzlich und einfühlsam”, so hatten viele Jahre später ehemalige Schüler ihre Lehrerin (die selbst keine Kinder hat) beschrieben. 1972 wechselte Spangehl in die Inselgrundschule, übernahm später dort auch die Schulleitung. Wenn sie an die letzte Klasse denkt, die sie vor ihrer Pensionierung unterrichtet hat, dann muss die heute 90-Jährige schmunzeln: Die Buben und Mädchen saßen in jenem Klassenzimmer, in dem auch die kleine Anneliese Lesen und Schreiben gelernt hatte.
Keine 40 Jahre war die Pädagogin, als sie 1966 erstmals für den Lindauer Stadtrat kandidierte. Auf der Liste der Freien Bürger hatte sie so viele Wählerstimmen erhalten, dass sie schon 1970 als Nachrückerin ins Rathaus zog. Zwei Jahre danach wurde Anneliese Spangehl auch Kreisrätin. Frauen waren in jener Zeit in den politischen Gremien noch eine Ausnahme. Doch mit viel Fleiß und Sachkenntnis verstand es die Kommunalpolitikerin Spangehl, ihre männlichen Kollegen mit ihren Argumenten zu überzeugen. Sie erwarb sich mit ihrer Arbeit viel Anerkennung – so war Anneliese Spangehl 1996 auch die erste Frau, die stellvertretende Landrätin wurde.
Insgesamt 32 Jahre lang gestaltete die Insulanerin die Politik in Stadt und Landkreis mit. Zu einer Zeit, als das Thema Bildung politisch längst noch nicht so hoch gehandelt wurde, wie heute, hat sich die Pädagogin für Schulthemen und die Interessen von Kindern stark gemacht. So erinnert sie sich gerne an eines ihrer ersten Wahlkampfthemen: die Erweiterung der Reutiner Schule und der Bau der Turnhalle dort. Auch für den Aufbau des Kinderhortes der Arbeiterwohlfahrt in der ehemaligen Heiderschule in Aeschach hatte sich Spangehl engagiert.
Bewusst aus der Politik zurückgezogen
Doch es gab auch Themen in der Lindauer Politik, die in Spangehls Augen weniger erfolgreich verliefen. Den heutigen Standort der Spielbank zählt sie dazu – die hätte nach ihrer Ansicht besser auf die westliche Insel gehört. Oder das in den 80er-Jahren viel diskutierte Kaufhaus auf der Insel: Es war anstelle der früheren Sängerhalle geplant gewesen, dort, wo heute die Inselhalle steht. Doch der Widerstand und Druck der Inselkaufleute sei damals groß gewesen, so dass sich letztlich auch Spangehl zu einem Nein umstimmen ließ.
2002 zog Spangehl dann einen Schlussstrich unter die Politik: Im Alter von 75 Jahren sei es Zeit, für Jüngere Platz zu machen. Was aber keineswegs bedeutete, dass sich die Lindauerin aufs Altenteil zurückzog: So verstand sie es als Vorsitzende des Seniorenbeirats im Landkreis, ihr über lange Jahre aufgebautes politisches Netzwerk für Themen zu nutzen, die die ältere Generation in Stadt und Kreis betreffen, und sich Gehör zu verschaffen.
Seit über zwei Jahrzehnten bei „Wir helfen“im Einsatz
Zur sozialen Seite der Anneliese Spangehl gehört aber auch noch eine andere Aufgabe: Für die Stadt- und Kreisrätin war es Ehrensache gewesen, die im Herbst 1993 von Uschi Krieger sowie dem inzwischen verstorbenen LZ-Redakteur Michael Urbanzyk gegründete Bürgeraktion „Wir helfen” zu unterstützen. Seither ist sie eine der wichtigen Anlaufstellen, wenn Menschen Hilfe brauchen – bis heute kümmert sie sich, gibt Rat und vermittelt Hilfe, wenn sie überzeugt ist, dass diese erforderlich ist.
Vor zwei Jahren dann jene Entscheidung des Lindauer Stadtrats: Erst sprachlos, dann zu Freudentränen gerührt sei sie gewesen, als sie vor zwei Jahren zur Lindauer Ehrenbürgerin ernannt worden ist: „Das ausgerechnet ich die höchste Auszeichnung meiner Heimatstadt erhalten sollten”, wie sie es damals im Gespräch mit der LZ formuliert hat.
Gestern nun hat sie ihren 90. Geburtstag gefeiert. Neben der Familie haben auch Vertreter von Stadt und Landkreis der engagierten Pädagogin und Politikerin gratuliert.