Anti-Gefährder-Gesetz stößt auf Skepsis
Land will Konsequenzen aus dem Fall des Berliner Attentäters Amri ziehen
MÜNCHEN - Die Oppositionsfraktionen von SPD, Freien Wählern und Grünen stehen dem von der CSUStaatsregierung eingebrachten „Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen“skeptisch gegenüber. Die Verschärfung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) soll es unter anderem ermöglichen, gefährliche Personen wie mögliche Terroristen im Extremfall unbegrenzt in Gewahrsam zu nehmen oder mithilfe einer elektronischen Fußfessel zu überwachen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) begründete die Vorlage, die am Dienstag in erster Lesung im Landtagsplenum behandelt wurde, mit den Erfahrungen aus dem Fall des Berliner Weihnachtsmarkt Attentäters Anis Amri,d er zumindest„ nicht optimal“gelaufen sei. Der Staat müsse nicht warten, bis die Vorbereitung s handlungen von Terroristen und sonstigen Attentätern abgeschlossen seien, so Herrmann.
Beschwerden sind möglich
Daher soll die Höchstdauer von zwei Wochen, die bisher für die Ingewahrsamnahme von gefährlichen Personen gilt, aufgehoben werden. Sie soll nur durch einen Richter angeordnet werden und mindestens alle drei Monate überprüft werden. Auch der Festgehaltene könne jederzeit Beschwerde einlegen, sagte Herrmann. Er wundere sich, warum diese Regelung in den Landesgesetzen von Bremen und Schleswig-Holstein seit Jahr und Tag bestehe, ohne dass sich jemals jemand darüber aufgeregt habe, so der CSU-Politiker.
Im Falle von Schleswig-Holstein stimme dies so nicht, widersprach ihm die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze. Von ihr kam die schärfste Kritik an dem Gesetzentwurf. Herrmanns Gesetzentwurf gehe „in Richtung Gesinnungshaft“. Die Grünen verschlössen sich nicht gegenüber gesetzlichen Änderungen, wenn diese sinnvoll und zielführend seien, wohl aber gegenüber „rechtswidrigen Vorschlägen und Sicherheitsplacebos“, so Schulze.
Die von Herrmann beabsichtigte elektronische Fußfessel könne die Observation von Gefährdern durch Polizeibeamte nicht ersetzen, kritisierte sie weiter. Bei einem Attentat in Frankreich habe sich gezeigt, dass Personen mit einer solchen Fußfessel gefährlich werden könnten.
Weniger hart fiel die Kritik von SPD und Freien Wählern aus. Der SPD-Sicherheitsexperte Peter Paul Gantzer machte verfassungsmäßige Bedenken geltend, weil das Gebot der Verhältnismäßigkeit verletzt sein könnte. Immerhin beträfen die vorgesehenen Maßnahmen auch Menschen, die sich nichts hätten zu Schulden kommen lassen. Die SPD will vor einem endgültigen Urteil aber eine Expertenanhörung abwarten. Ähnlich formulierte für die Freien Wähler ihr Abgeordneter Joachim Hanisch. Der mit der Gesetzesänderung eingeführte Begriff der „drohenden Gefahr“sei zu undifferenziert, sagte er.