Fett ist Freund und Feind zugleich
Zwei renommierte Mediziner sprechen über Glücksmomente beim Essen – aber auch über die Gefahren
- Die Antwort auf diese Frage scheint so begehrt wie jene auf die Frage nach dem Sinn des Lebens. „Macht Fett glücklich?“, hatte die „Schwäbische Zeitung“gefragt und zu einem Info-Abend geladen. Antworten sollten die beiden Mediziner Günther J. Wiedemann und Hans Bürger. Wissen wollten das auch so viele Besucher, dass für einige im Ravensburger Medienhaus kein Platz mehr war.
Für die vielen, die bis zur zweiten Veranstaltung unter demselben Titel am kommenden Dienstag nicht warten wollen, sei die Antwort vorweggenommen: „Eindeutig ja. Fett macht glücklich“, sagte Wiedemann, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Krankenhaus St. Elisabeth. „Unser Gehirn macht uns glücklich. Es
gibt Belohnungshormone aus, wenn wir das tun, was wir sollen.“Dazu gehöre Sexualität, die Fortpflanzung mit Spaß verbinde, aber auch die Aufnahme von Glukose, „damit das Gehirn nicht trockenläuft“, so Wiedemann. Damit das nicht passiert, bestelle das Hirn bei seinem Kellner, dem Körper, mit seinem Hungergefühl den Stoff. „Auch aus Fett wird Glukose“, erklärte Wiedemann. Bekommt das Gehirn, was es will, bedankt es sich mit Glück.
„Das Glücksgefühl stellt sich ein, sobald der Mensch satt ist“, so Wiedemann. Und die Fettzellen sagten dem Gehirn wiederum, dass es satt ist. „Fett ist kein blöder gelber Klumpen“, so Wiedemann weiter. Sobald der Körper genug Fett oder Kohlenhydrate aufgenommen hat, sorgen die Fettzellen für die Abschaltung des Hungergefühls.
Das tun sie, indem sie einen Stoff bilden, das Leptin. Dieses schicken sie Richtung Gehirn, zum sogenannten „Adipostat“. Dort werde der Appetit abgestellt. „Das funktioniert ähnlich wie ein Thermostat, das eine Heizung ausschaltet, sobald die gewünschte Temperatur erreicht ist“, veranschaulichte Wiedemann.
Dieses Signal wird dabei nach einer dicken Schinkenschwarte oder der Schweinshaxe schneller vom Körper aufgenommen als beispielsweise aus Kohlenhydraten. „Diese müssen erst noch in den Zellen umgewandelt werden.“Wichtig sei es, laut Wiedemann, langsam zu essen, damit der Körper überhaupt rechtzeitig merken kann, dass er genug hat. „Die Fettaufnahme dauert eine gewisse Zeit.“
Denn Fett macht nicht nur glücklich. Leider muss man hier auch ein Aber hinterherschieben, denn: Fett könne auch krank machen. Gemeint ist dabei vor allem das Körperfett, das Frauen eine Birnenform und Männern eine Apfelform verpasst, wie die beiden Internisten erklärten. Während sich Fett bei den Damen vor allem an der Hüfte zur sogenannten Reiterhose ansammelt, sorgt es bei den Herren dafür, dass sie in die Tiefe wachsen – mit einem erweiterten Bauchumfang.
„Die Reiterhose bei Frauen ist nicht das Problem, gefährlich wird das Bauchfett bei Männern“, erläuterte Wiedemann. Selbst wenn man (n) sich Fett absaugen würde, würde die „Plauze“nachwachsen. Denn auch im Bauchraum gebe es Fettdepots, das viszerale Fettgewebe, das Organe wie die Leber und die Bauchspeicheldrüse umgibt.
Je mehr davon vorhanden ist, umso problematischer wird es. Ein größerer Bauch produziere mehr Entzündungsstoffe. Der Bauchumfang gelte dabei als guter Maßstab für das Gesundheitsrisiko. Am besten messe man mit einem Maßband morgens vor dem Frühstück, unbekleidet vor dem Spiegel (ausgerechnet dort, wo der Bauchumfang am größten ist). Überschreitet er die 102 Zentimeter, sei die Gefahr von Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder Arteriosklerose, für Schlaganfälle und Herzinfarkte erhöht.
Dabei mache gar kein Fett wiederum nicht nur nicht glücklich – sondern sei auch ungesund. Wiedemann und Bürger betonten, dass extrem schlanke Menschen nicht gesünder seien als dicke. Beide Gruppen hätten laut Wiedemann das gleiche Risiko für einen früheren Tod wie übergewichtige Männer. „Am gesündesten ist ein gutes Mittelmaß. Ein bisschen Bauch darf man also haben“, beruhigte Wiedemann. Zu vernehmen war erleichtertes Raunen im Publikum.
Die Dosis ist entscheidend
Das „bisschen Bauch“wachse, wenn der „Input größer ist als der Output“, so Bürger, sprich: wenn der Mensch mehr isst, als er braucht. Sobald beim Essen der Blutzuckerspiegel steigt, wird Insulin ausgeschüttet. Dieses dient als Türöffner in den Zellen, damit Glukose aus dem Blut dort eingelagert werden kann. Es verhindert zum einen, dass sich Fettsäuren aus dem Fettgewebe abspalten können, zum anderen sorgt es für die Einlagerung von überschüssiger Energie. Wird mehr davon aufgenommen als nötig, wird es als Fettgewebe im Körper eingespeichert – der Bauch wird dicker.
Um den wieder loszuwerden, müsse der „Input wieder kleiner sein als der Output“, erklärte Bürger. Dabei sei die Dosis entscheidend. Das gelte sowohl für den Schinken mit Fettrand als auch für den Hefezopf oder das Stück Obstkuchen.
Besonders dick mache der viele Zucker, den wir zu uns nehmen. Dieser lasse den Insulinspiegel hochschnellen, sei voller „leerer Kalorien“, die eine hohe Energiedichte hätten, aber kaum einen Nährwert. „Zucker ist überall drin, sogar im Fleischsalat“, sagte Bürger. Im Jahre 1900 habe noch jeder Mensch in Deutschland im Schnitt zwölf Kilo Zucker jährlich zu sich genommen, mittlerweile seien wir bei 31 Kilo angelangt.
Dabei sei es egal, ob es sich um braunen oder weißen Zucker handelt, ob er in der Cola, im Ahornsirup oder im Honig steckt – oder im Orangensaft. „Auch Fruktose, also Fruchtzucker, ist nicht besser“, so Bürger. Dieser werde in der Leber verstoffwechselt und in Fett umgewandelt. „Fruktose kann nicht in den Muskeln oder im Gehirn verbraucht werden. Es sammelt sich im Bauchfett und der Leber an.“Und vor allem: Fruktose schmecke zwar süß, mache aber nicht satt. Nur Orangensaft allein macht also auch nicht glücklich.
Bürger riet zu einer „mediterranen Ernährung“mit Olivenöl, viel frischem Gemüse und ein wenig Pasta. „Auch die Aufnahme von Ballaststoffen ist sehr wichtig.“Diese machten schnell und lange satt. Wovon Bürger jedoch abriet, was den anwesenden Herren gar nicht gefallen haben dürfte: „Alkohol. Vor allem Bier macht uns dick.“
„Wir müssen außerdem anfangen, uns intensiv zu bewegen“, empfahl der Arzt aus Vogt. Dabei reiche es auch, 30 Minuten täglich spazieren zu gehen, beispielsweise indem man das Auto mal stehen lässt und zu Fuß in den Supermarkt geht. „Man muss nicht gleich durch den Wald laufen“, so Bürger.
Eine andere Alternative zum Joggen sei jedoch wirkungslos, wie sein Kollege Wiedemann erklärte: „Sex macht nicht schlank. Mit 20 angedeuteten Liegestützen kann man mehr Fett verbrennen“, räumte er diesen Mythos aus. Außerdem könne man Liegestützen überall machen.
Vielleicht war das nicht unbedingt die Antwort, die die vielen Besucher hören wollten. Doch die Antwort auf die wichtigste Frage für diesen Abend haben sie bekommen.