„Freifunk ist keine eierlegende Wollmilchsau“
Marc Heintz vom Freifunk Kressbronn über die Initiative und ihre Ziele
KRESSBRONN - Umsonst im Internet surfen: Was in anderen Teilen der Welt wie beispielsweise in Asien so gut wie überall möglich ist, ist in Deutschland nicht so einfach. Grund ist die Gesetzeslage. LZ-Redakteurin Britta Baier hat sich mit Marc Heintz vom Freifunk Kressbronn über die Initiative und ihre Ziele unterhalten – und wo dem Vorhaben, allen ein freies Netz anzubieten, Grenzen gesetzt sind.
Wer ist die Initiative Freifunk und wofür setzt sie sich ein?
Marc Heintz: Freifunk ist ein Zusammenschluss von Freiwilligen, die es sich zum Ziel gemacht haben ein freies Netz aufzubauen und zu betreiben. Dieses Netz bietet jedem beispielsweise über WLAN einen nicht-kommerziellen und damit kostenlosen Zugang zum Internet. Wenn Sie sich auf der Straße, im Cafe oder auf dem Marktplatz mit jemandem unterhalten, brauchen Sie (zum Glück) keinen kommerziellen Anbieter dafür. Wenn Sie digital kommunizieren möchten, sei es über E-Mail, WhatsApp oder andere Internetdienste – brauchen Sie einen kostenpflichtigen Provider, der Sie ins Netz bringt. Digitale Kommunikation ist derzeit nur denen vorbehalten, die dafür bezahlen können und wollen. Um allen Menschen den Zugang zum Internet zu ermöglichen und damit digital kommunizieren zu können, braucht es freie Netze wie Freifunk. Unser Ziel ist es, allen Menschen die Möglichkeit der (digitalen) Kommunikation und einen Zugang zu (digitaler) Information zu geben.
Sie arbeiten ehrenamtlich und ohne Gewinn – wie finanziert sich die Gruppe?
Unsere Arbeit ist mit jeder anderen ehrenamtlichen Tätigkeit eines Vereins vergleichbar. Die technische Infrastruktur zum Betrieb von Freifunk Bodensee besteht im Kern aus derzeit sieben Servern, die den Datenverkehr der einzelnen Freifunk-Router (Knoten) über Länder ohne Störerhaftung ins Internet bringen. Die Administratoren arbeiten ehrenamtlich und finanzieren die Server aus eigener Tasche. Auch die Kosten für die VPN-Verbindungen nach Schweden werden von den Administratoren bisher noch selbst getragen. Langfristig möchten wir zumindest die laufenden Kosten über Spenden finanzieren.
Wo überall gibt es in Kressbronn bereits Freifunk?
Aktuell ist der Zugang zu Freifunk an einigen öffentlichen Plätzen möglich: In und vor der Festhalle, in der Bücherei, vor dem Rathausplatz (folgt in Kürze), in und um das Café Seegarten am Landesteg, Café Lände mit angrenzendem Park, Tourist-Info am Bahnhof, Anschlussunterkünfte Bergerstraße und Zehntscheuerstraße sowie Haus der Musik in Gattnau. Zukünftig sollen die öffentlichen Bereiche des ehemaligen Bodanwerft Geländes und die Grünflächen des Seegartens hinzukommen.
Kurz erklärt: Wie funktioniert der Freifunk, damit er – anders als anderswo – ohne Passwort und Kosten funktioniert?
Freifunk ist zuerst einmal nichts anderes als ein gewöhnliches unverschlüsseltes WLAN-Netz. Jeder Gast, der sich mit seinem Endgerät in Reichweite befindet, kann sich ohne Passwort daran anmelden. Das besondere bei Freifunk ist, dass der Datenverkehr nicht wie bei einem gewöhnlichen WLAN-Netz über den Internetanschluss des Besitzers – und damit mit dessen rechtlicher Haftung – geleitet wird, sondern über einen sogenannten VPN-Tunnel in ein Land ohne Störerhaftung weitergeleitet wird. Erst von dort aus gehen dann die Daten der Gäste ins Internet. Der Besitzer des Freifunk-Routers beziehungsweise dessen Internetanschluss ist damit transparent und aus externer Sicht unsichtbar. Da „Frei-“in Freifunk nicht im Bezug zu „kostenlos“sondern eher zu „Freiheit“steht, verursacht die technische Infrastruktur Kosten. Diese werden derzeit komplett aus eigener Tasche und durch Spenden finanziert. Damit das Freifunk-Projekt auch „frei“und kostenlos bleibt, sind wir längerfristig auf Spenden angewiesen.
Wo kommt der Freifunk an seine Grenzen?
Da der komplette Datenverkehr über VPN ins Ausland geleitet wird, muss man bei einem Freifunk-Zugang mit einer geringeren Geschwindigkeit rechnen, wie sie möglicherweise der heimische Internetanschluss zur Verfügung stellt. Dies liegt daran, dass das Freifunk-Netz tageszeitabhängig mal mehr, mal weniger ausgelastet ist, und dass höhere Kapazitäten bei der Geschwindigkeit auch mehr Geld kosten würden. Bei einer sehr hohen Nutzeranzahl, hohen Bandbreiten oder bei Anforderungen, die eine hohe Verfügbarkeit sicherstellen müssen, wäre eine kommerzielle WLAN-Lösung die bessere Wahl.
Gibt es auch kritische Stimmen?
Ich gehe davon aus, dass es die gibt. Leider sind sie bisher noch nicht bis zu mir vorgedrungen. Ich bin aber gerne bereit, mich jederzeit kritischen Fragen zu stellen. Freifunk ist keine eierlegende Wollmilchsau. Technisch gesehen ist das Projekt ein hochinteressantes Betätigungsfeld. Gesellschaftlich gesehen meine ich, dass kein kommerzielles Produkt Freifunk das Wasser reichen kann.