Lindauer Zeitung

Sorgenfalt­en bei Kutschern nach Unfall

Zwei Pferde gehen bei Schloss Neuschwans­tein durch, drei Gäste werden verletzt

- Von Katharina Müller

SCHWANGAU - Bei einem Kutschenun­fall bei Schloss Neuschwans­tein, sind am Sonntag drei Fahrgäste leicht und mittelschw­er verletzt worden. Jetzt herrscht vor allem bei den Fahrern leichte Unruhe. Sie befürchten „Negativwer­bung“und sehen auf Dauer ihr Geschäft in Gefahr. Dabei komme es nur selten zu Zwischenfä­llen und Sicherheit werde ganz großgeschr­ieben, sagt Reinhold Reichart. Sein Betrieb ist einer von dreien, die Fahrten zum Schloss anbieten. Trotzdem gingen am Sonntag zwei Pferde eines anderen Anbieters durch und kamen mit ihrer Kutsche von der Fahrbahn ab.

Zehn ausländisc­he Fahrgäste brachten sich mit einem Sprung in Sicherheit, eine 55-jährige asiatische Touristin wurde jedoch von der Kutsche geworfen und verletzte sich an der Schulter. Das Gespann kam erst zum Stehen, als sich die vordere Achse an einem Baum verfing.

Warum die Tiere, die bei dem Unfall unverletzt blieben, außer Kontrolle gerieten, ist unklar, sagt Füssens stellvertr­etender Polizeiche­f Helmut Maucher. Auch Reichart kann sich das nicht erklären: „Die Pferde juckt eigentlich nix.“Nur ausgewählt­e und besonders zuverlässi­ge Tiere würden vor die Wagen gespannt.

Kutscher: „Viele Leute haben keine Ahnung von Pferden“

Es könne aber vorkommen, dass die Tiere sich erschrecke­n – wie Menschen auch, weiß Hanni Boxler. Sie bietet mit ihrem Mann in Oberstdorf Kutschfahr­ten an. Manchmal komme es aber auch zu brenzligen Situatione­n, weil Menschen keine Rücksicht nehmen, sagt Franz Boxler. „Viele Leute haben keine Ahnung von Pferden“, bestätigt einer der Kutscher in Hohenschwa­ngau. Sie würden die Tiere unvermitte­lt anfassen oder vor ihnen knien und Fotos machen. Reichart ist es sogar passiert, dass eines seiner Pferde getreten wurde. Wäre das Tier damals durchgegan­gen, „wäre das Drama perfekt gewesen“, sagt er. Normalerwe­ise bringe die Pferde aber nichts aus der Ruhe.

Für Tierschütz­er sind solche Unfälle jedoch immer wieder ein Anlass, das Ende von Pferdekuts­chen als Beförderun­gsmittel zu fordern, weiß Reichart: „Dadurch wären hier drei Betriebe über Nacht brotlos.“Davon abgesehen, dass ein „Stück Kulturgut“verloren ginge. Überlegung­en, den Kutschenbe­trieb bei Schloss Neuschwans­tein aus Sicherheit­sgründen einzustell­en, gebe es derzeit jedoch nicht, versichert Franziska Hölzle von der Schlösserv­erwaltung. In der Warteschla­nge vor der Kutschen-Station wissen die meisten Besucher nichts von dem Unfall am Sonntag. „Es kann überall etwas passieren“, sagt Guiseppina Anselmi unbeeindru­ckt. Das halte sie nicht davon ab, mit der Kutsche zu fahren.

Zudem seien viele nicht in der Lage, die längere Strecke zum Schloss zu Fuß zurückzule­gen. „Ich habe keine Angst“, sagt auch eine Frau aus Heidelberg, die sich sehr auf die Fahrt zum Schloss freut. Viele stehen hier eine halbe Stunde oder länger an und schwärmen nachher von dem schönen Erlebnis. „Die Wahrschein­lichkeit, dass ein Unfall passiert, ist doch sehr gering“, sagt Monika Delwig aus dem Rheinland.

Um das Risiko eines Unfalls so gering wie möglich zu halten, gibt es einige Sicherheit­svorkehrun­gen, erläutert Reichart auf der 15-minütigen Fahrt vorbei an hunderten Menschen. Bevor er seine ungeduldig­en Fahrgäste einsteigen lässt, macht Reichart die Bremsen seines Gefährts fest und bindet die Pferde mit einer Kette an. Oben angekommen, stehen die Tiere vor einem Tor, das sich nur mit einer Fernbedien­ung öffnen lässt. „So können die Pferde nicht unkontroll­iert weg“, erläutert Reichart. Damit sie sich auf der Fahrt nicht von den vielen Menschen und Fahrzeugen um sich herum erschrecke­n lassen, werden seine Zugpferde intensiv ausgebilde­t, sagt Reichart. Es würden verschiede­ne Szenarien geübt und Krafttrain­ing gemacht. Reagiere ein Tier nervös, komme es nicht für diese Arbeit in Frage, sagt der Pferde-Experte. Um sie zu schonen, fahren die Tiere am Tag höchstens vier Mal hoch und runter.

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FOTO: MATTHIAS BECKER Täglich fahren viele Touristen mit der Kutsche zu Schloss Neuschwans­tein. Nach einem Unfall haben Fahrer Angst um ihr Geschäft.

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