Lindauer Zeitung

Hetze im Internet ist kein Kavaliersd­elikt

Frau muss Geldstrafe abstottern, weil sie Asylbewerb­er auf Facebook verunglimp­ft hat

- Von Jochen Sentner

KEMPTEN - „Raus mit dem Asylantenp­ack“war noch das Freundlich­ste, was die Frau auf Facebook veröffentl­ichte. „Uns Deutschen wird nicht geholfen.“Es folgten Herabwürdi­gungen niedrigste­r Art gegen Flüchtling­e. Wegen Volksverhe­tzung stand die 33-Jährige nun in einer Berufungsv­erhandlung vor dem Landgerich­t. Die ursprüngli­ch verhängte Freiheitss­trafe wandelte die Strafkamme­r um in eine Geldstrafe von 150 Tagessätze­n. 5250 Euro muss die Serviereri­n also nun abstottern.

Unter Tränen räumte die Angeklagte ein, den Eintrag im Internet geschriebe­n zu haben. Auslöser ihrer „Kurzschlus­shandlung“sei gewesen, dass zuvor eine Gruppe von Männern in einem Park anzüglich geworden sei – vermutlich Asylbewerb­er. Anzeichen ihrer Gesinnung waren indes auch auf ihrer persönlich­en Facebook-Seite zu lesen: „I stand with the NPD“, zitierte ein Ermittler der Kripo – zu deutsch „Ich unterstütz­e die NPD“.

Über das Landeskrim­inalamt Baden-Württember­g war die Untersuchu­ng des Falls ins Rollen gekommen. Angeschlos­sen hatte sich die Frau einer Internet-Plattform, auf der über ein Containerd­orf in Worms diskutiert wurde. Ihr Beitrag fiel offenbar so unangenehm auf, dass ein anonymer Hinweis an die Behörden ging.

Genau erinnern konnte sich die Beschuldig­te nicht mehr, wie sie auf die Seite gelangt ist. „Ich wollte das am nächsten Tag auch wieder löschen, hab’ es aber nicht mehr gefunden“, sagte sie.

Ausländerf­eindlich sei sie eigentlich gar nicht. Gebürtig ist sie in Rumänien. Ihre Arbeitgebe­rin bescheinig­te ihr freundlich­es und zuvorkomme­ndes Verhalten auch zu den ausländisc­hen Gästen im Lokal. Demnächst soll sie einen Vollzeitve­rtrag bekommen, was der Frau besonders wichtig ist. Sie hat eine lange Drogenkarr­iere hinter sich. Zurzeit befindet sie sich in Substituti­ons-Behandlung durch das Bezirkskra­nkenhaus in Kaufbeuren. Im Zusammenha­ng mit dem früheren Heroinkons­um stehen etliche Vorstrafen, eine noch zur Bewährung ausgesetzt. Wegen der nun verhandelt­en Volksverhe­tzung hatte ein Amtsgerich­t der Bedienung sechs Monate Haft aufgebrumm­t. Zum ersten Termin war sie noch ohne Rechtsbeis­tand erschienen.

Nun führte eine Verteidige­rin das Wort für die Angeklagte: Sie sprach von einem „Momentanve­rsagen“, weil sich ihre Mandantin gedemütigt und eingeschüc­htert gefühlt habe. Eine Geldstrafe reiche aus, nachdem es sich um einen einmaligen Ausrutsche­r handle. Der Staatsanwa­lt schloss sich an, forderte aber mehr Tagessätze.

Dem folgte letztlich die Kammer. Vorsitzend­er Dr. Hanspeter Zweng hielt der Angeklagte­n zugute, dass sie die Verantwort­ung für ihre „extrem unappetitl­iche Formulieru­ng“übernehme. Anderersei­ts sei belastend, dass sie Menschen mit ihrem Post sowohl ethnisch als auch religiös und für ihre mögliche sexuelle Orientieru­ng angegriffe­n habe.

Das Urteil akzeptiert­e die Frau gleich im Gerichtssa­al.

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