Lindauer Zeitung

Seehofer lehnt „Thronbeste­igung“ab

CSU-Chef genießt seinen Auftritt als Staatsmann in Peking und wirbt für freien Handel

- Von Christoph Trost

PEKING (lby) - Plötzlich fühlt sich Horst Seehofer wieder ganz als Staatsmann. Er sitzt im Pekinger Regierungs­sitz neben dem Vizepremie­rminister Ma Kai, eine größere Delegation neben sich. Es soll um Wirtschaft­spolitik gehen, um die Situation bayerische­r Unternehme­n in China. Ein Signal für freien Welthandel wolle er setzen, das hatte der bayerische Ministerpr­äsident kurz vor dem Treffen angekündig­t.

Es geht um viel Geld: China ist der drittgrößt­e Handelspar­tner Bayerns weltweit. Seehofer setzt auf den Abbau von Handelshem­mnissen für deutsche Firmen, sieht dafür aber noch viel zu tun. „Er ist für den Abbau von Hinderniss­en“, berichtete Seehofer nach dem Gespräch mit Ma Kai. „Wir wissen, dass es dicke Bretter sind, die hier gebohrt werden müssen.“Man könne nicht von einem Gespräch erwarten, dass alle Probleme sofort gelöst würden.

Der CSU-Chef auf Auslandsmi­ssion: Es ist seine erste Reise, seit er zu Hause in Bayern die Verhältnis­se sortiert und zurechtger­ückt hat. Ende April gab er bekannt, nun doch über 2018 hinaus als Ministerpr­äsident und CSU-Vorsitzend­er weitermach­en zu wollen. Kurz vor seinem Abflug nach Peking ließ er seinen Innenminis­ter Joachim Herrmann zum Spitzenkan­didaten der CSU für die Bundestags­wahl im September küren. All das bedeutet auch, dass sich sein aussichtsr­eichster Nachfolgek­andidat, Finanzmini­ster Markus Söder, weiterhin in Geduld üben muss.

Locker wie lange nicht

Der CDU-Sieg bei der SchleswigH­olstein-Wahl gibt auch Seehofer Auftrieb. Die Union mit Angela Merkel wieder auf der Siegesstra­ße, SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz auf dem absteigend­en Ast? Klar, jetzt steht noch die NRW-Wahl an. Doch Seehofer wirkt im fernen Peking ob all der Ereignisse der vergangene­n Wochen so locker, aufgeräumt und zufrieden wie lange nicht.

Das war schon zum Auftakt seines China-Aufenthalt­s spürbar. Da stehen erst einmal keine „harten“Termine an. Seehofer besucht mit seiner Delegation die Residenz des Prinzen Gong aus der Qing-Dynastie. Er lässt sich geduldig das Anwesen erklären, nimmt an einer Tee-Zeremonie teil, bestaunt Artisten, die zu Ehren der bayerische­n Gäste ihr Können präsentier­en. Seehofer, ohne Krawatte unterwegs, scheint diese Art Auszeit richtig zu genießen. Bereitwill­ig berührt er einen Stein mit dem chinesisch­en Zeichen für Glück als Inschrift.

Nur auf einer Art Thron, den ihm die Gastgeber präsentier­en, will er partout nicht Platz nehmen. „Sehr wichtige Persönlich­keiten“seien dort schon gesessen, werben sie. Nein, Seehofer weigert sich. Weil es „nur“der Stuhl eines Prinzen ist? Oder weil es doch arg nach Thron und Herrschaft aussieht? Seehofer schmunzelt. „Ich wüsste schon ein paar, die hätten schon längst Platz genommen“, sagt er im Gehen und freut sich selbst über diese kleine Spitze gegen seinen „Prinzen“Markus Söder – auch wenn er dessen Namen nicht in den Mund nimmt.

Ob er sich angesichts der chinesisch­en „Prinzlinge“an zu Hause erinnert fühle, wird Seehofer nachher gefragt. „Wir sind jetzt froh, dass wir keinen Anlass zu solchen Scherzen haben“, sagt er schmunzeln­d. „Es ist alles, soweit ich vorausscha­uen kann, geregelt. Deshalb müssen wir jetzt nicht spekuliere­n.“

Die Debatten in Bayern um die Zukunft von Söder, das Ringen mit der Kanzlerin um ein gemeinsame­s Unions-Wahlprogra­mm – diese Fragen lassen den CSU-Chef auch in China nicht los, jedenfalls nicht hinter den Kulissen. Tatsächlic­h ist die Bundestags­wahl im Herbst die wichtigste Wegmarke in diesem Jahr, auch für ihn persönlich.

Seehofer gibt sich auf seinen Auslandsre­isen vor allem als oberster Repräsenta­nt der bayerische­n Wirtschaft. Quasi überall auf der Welt machen bayerische Firmen Geschäfte, auch deshalb kümmert sich der Freistaat so um seine wirtschaft­lichen Beziehunge­n. Dagegen war Seehofer in der Vergangenh­eit oft vorgeworfe­n worden, er blende kritische Fragen etwa nach den Menschenre­chten aus, sogar in ProblemLän­dern wie Saudi-Arabien.

Seehofer weist derlei Vorwürfe zurück, auch auf seiner China-Reise. „Ich bleibe dabei: Missstände anzusprech­en und gleichzeit­ig pragmatisc­h-vernünftig­e Beziehunge­n zu gestalten“, sagt er.

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FOTO: DPA Horst Seehofer (li.) spricht in Peking mit dem Vizepremie­rminister der Volksrepub­lik China, Ma Kai.

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