VW-Aktionäre sauer trotz guter Zahlen
Bericht zu Diesel-Gate bleibt unter Verschluss – Ermittlungen wegen Marktmanipulation
HANNOVER (dpa) - Eigentlich läuft alles gut für Volkswagen. Eigentlich. Zwar steht der Vergleich in den USA und die Gewinne sprudeln wieder, selbst bei der lange Zeit schwächelnden Stammmarke VW. Aber Europas größter Autobauer ist weit davon entfernt, Diesel-Gate hinter sich zu lassen, der Betrug bei Abgaswerten von Millionen Autos zieht sich wie ein roter Faden durch die VWHauptversammlung.
Kein Scherbengericht für Vorstand und Aufsichtsrat wie vor einem Jahr, aber Ärger und Verbitterung sind greifbar. Applaus kommt nach den Redebeiträgen nur zögerlich auf. Aktionär Manfred Klein wird deutlich: „Handelt es sich bei VW um eine kriminelle Vereinigung?“Bittere Vorwürfe erhebt er gegen Vorstand und Aufsichtsrat, besonders gegen Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch: „Gehen Sie nach Hause, packen Sie Ihre Koffer, Sie haben Schaden genug angerichtet“, brüllt er ins Mikrofon – das ihm schließlich abgedreht wird. Weniger laut, aber zumindest verstimmt äußern sich viele Aktionäre, Kritik an der Aufklärung nach dem Skandal wird vielfach deutlich.
Risikoreiche Ergebnisse
Vor allem ein vollständiger Bericht zu den Ermittlungsergebnissen wird schmerzlich vermisst. „Mir ist bewusst, dass sich einige von Ihnen eine noch weiter gehende Transparenz wünschen“, sagte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. „Einen schriftlichen Abschlussbericht von Jones Day gibt es nicht und wird es auch nicht geben“, sagte er zu den Erkenntnissen der von VW beauftragten US-Anwaltskanzlei. Pötsch begründete das Vorgehen mit rechtlichen Risiken. Der Konzern wolle daher keine zusätzlichen Ergebnisse veröffentlichen. „Alles andere wäre für Volkswagen unvertretbar riskant“, sagte Pötsch.
Klar ist: Auch wenn die Geschäfte wieder laufen, bleiben noch „einige dunkle Wolken am Horizont“, wie der Autoexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach mahnt. Etwa die Anlegerklagen – Anleger werfen VW vor, im September 2015 zu spät über die Abgas-Manipulationen informiert zu haben. Und am späten Mittwochnachmittag verdüstern sich die Wolken erneut – laut „Wirtschaftswoche“ermittelt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen VWChef Matthias Müller. Der Verdacht: Marktmanipulation im VW-AbgasSkandal. Auch gegen Pötsch und den früheren VW-Konzernchef Martin Winterkorn werde ermittelt.
Zurück in die Gewinnzone
Auf der Haben-Seite dürfte stehen: Die Geschäfte laufen, auch wenn der Diesel-Anteil an den verkauften Autos in Deutschland seit einiger Zeit sinkt. Der „Zukunftspakt“für die Marke VW sieht zwar den Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen vor, gleichzeitig sollen aber auch neue Stellen entstehen. Und: Wichtige Zukunftsthemen wie Elektromobilität, autonomes Fahren und Mobilitätsdienste wie Carsharing sind auf den Weg gebracht. Im vergangenen Jahr war Volkswagen trotz milliardenschwerer Kosten für die Bewältigung des Diesel-Skandals vor allem in den USA in die Gewinnzone zurückgekehrt. Die vorgeschlagene Dividende von zwei Euro je Stammund 2,06 Euro je Vorzugsaktie berücksichtige die finanzielle Lage des Konzerns, sagte Müller. Damit schütte der Konzern 19,7 Prozent des Nettogewinns aus. Müller und Finanzchef Frank Witter rechnen im laufenden Jahr mit Zahlungen in zweistelliger Milliardenhöhe für die Diesel-Affäre. Inzwischen sind weltweit knapp die Hälfte der betroffenen Motoren umgerüstet. Insgesamt seien es bislang 4,7 Millionen Fahrzeuge, sagte Konzernchef Matthias Müller, in Deutschland seien es 1,7 Millionen Autos.
„Der Abgas-Skandal ist noch lange nicht ausgestanden, denn jeden Tag kommen von VW Hunderte fabrikneue Euro-6-Diesel auf unsere Straßen, die ihre gesetzlichen Stickoxidgrenzwerte nur im Labor einhalten“, kritisiert Jens Hilgenberg, Sprecher des Dachverbands Kritischer Aktionäre. „Alle Kunden haben ein Recht darauf, dass ihr Fahrzeug nicht nur im Labor die Grenzwerte einhält.“Könne VW eine wirksame Nachrüstung aller Autos mit der Abgasnorm Euro 5 und Nachbesserung der Euro-6-Fahrzeuge nicht zusichern, müsse der Konzern wie in den USA die Fahrzeuge zurückkaufen.
Reizthema Bezahlung
Auch die Bezahlung der Vorstände bleibt ein Aufreger – vor allem eine umstrittene Millionenabfindung für Ex-Vorstand Christine HohmannDennhardt. Aktionär Klein fragt rhetorisch, wie viele Arbeitsplätze von dem Geld, das Hohmann-Dennhardt „hinterher geworfen“worden sei, hätten entstehen können. Es wird deutlich: Für VW ist noch lange nicht wieder alles gut.