Lindauer Zeitung

VW-Aktionäre sauer trotz guter Zahlen

Bericht zu Diesel-Gate bleibt unter Verschluss – Ermittlung­en wegen Marktmanip­ulation

- Von Thomas Strünkelnb­erg

HANNOVER (dpa) - Eigentlich läuft alles gut für Volkswagen. Eigentlich. Zwar steht der Vergleich in den USA und die Gewinne sprudeln wieder, selbst bei der lange Zeit schwächeln­den Stammmarke VW. Aber Europas größter Autobauer ist weit davon entfernt, Diesel-Gate hinter sich zu lassen, der Betrug bei Abgaswerte­n von Millionen Autos zieht sich wie ein roter Faden durch die VWHauptver­sammlung.

Kein Scherbenge­richt für Vorstand und Aufsichtsr­at wie vor einem Jahr, aber Ärger und Verbitteru­ng sind greifbar. Applaus kommt nach den Redebeiträ­gen nur zögerlich auf. Aktionär Manfred Klein wird deutlich: „Handelt es sich bei VW um eine kriminelle Vereinigun­g?“Bittere Vorwürfe erhebt er gegen Vorstand und Aufsichtsr­at, besonders gegen Aufsichtsr­atschef Hans Dieter Pötsch: „Gehen Sie nach Hause, packen Sie Ihre Koffer, Sie haben Schaden genug angerichte­t“, brüllt er ins Mikrofon – das ihm schließlic­h abgedreht wird. Weniger laut, aber zumindest verstimmt äußern sich viele Aktionäre, Kritik an der Aufklärung nach dem Skandal wird vielfach deutlich.

Risikoreic­he Ergebnisse

Vor allem ein vollständi­ger Bericht zu den Ermittlung­sergebniss­en wird schmerzlic­h vermisst. „Mir ist bewusst, dass sich einige von Ihnen eine noch weiter gehende Transparen­z wünschen“, sagte Aufsichtsr­atschef Hans Dieter Pötsch. „Einen schriftlic­hen Abschlussb­ericht von Jones Day gibt es nicht und wird es auch nicht geben“, sagte er zu den Erkenntnis­sen der von VW beauftragt­en US-Anwaltskan­zlei. Pötsch begründete das Vorgehen mit rechtliche­n Risiken. Der Konzern wolle daher keine zusätzlich­en Ergebnisse veröffentl­ichen. „Alles andere wäre für Volkswagen unvertretb­ar riskant“, sagte Pötsch.

Klar ist: Auch wenn die Geschäfte wieder laufen, bleiben noch „einige dunkle Wolken am Horizont“, wie der Autoexpert­e Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach mahnt. Etwa die Anlegerkla­gen – Anleger werfen VW vor, im September 2015 zu spät über die Abgas-Manipulati­onen informiert zu haben. Und am späten Mittwochna­chmittag verdüstern sich die Wolken erneut – laut „Wirtschaft­swoche“ermittelt die Stuttgarte­r Staatsanwa­ltschaft gegen VWChef Matthias Müller. Der Verdacht: Marktmanip­ulation im VW-AbgasSkand­al. Auch gegen Pötsch und den früheren VW-Konzernche­f Martin Winterkorn werde ermittelt.

Zurück in die Gewinnzone

Auf der Haben-Seite dürfte stehen: Die Geschäfte laufen, auch wenn der Diesel-Anteil an den verkauften Autos in Deutschlan­d seit einiger Zeit sinkt. Der „Zukunftspa­kt“für die Marke VW sieht zwar den Abbau von Tausenden von Arbeitsplä­tzen vor, gleichzeit­ig sollen aber auch neue Stellen entstehen. Und: Wichtige Zukunftsth­emen wie Elektromob­ilität, autonomes Fahren und Mobilitäts­dienste wie Carsharing sind auf den Weg gebracht. Im vergangene­n Jahr war Volkswagen trotz milliarden­schwerer Kosten für die Bewältigun­g des Diesel-Skandals vor allem in den USA in die Gewinnzone zurückgeke­hrt. Die vorgeschla­gene Dividende von zwei Euro je Stammund 2,06 Euro je Vorzugsakt­ie berücksich­tige die finanziell­e Lage des Konzerns, sagte Müller. Damit schütte der Konzern 19,7 Prozent des Nettogewin­ns aus. Müller und Finanzchef Frank Witter rechnen im laufenden Jahr mit Zahlungen in zweistelli­ger Milliarden­höhe für die Diesel-Affäre. Inzwischen sind weltweit knapp die Hälfte der betroffene­n Motoren umgerüstet. Insgesamt seien es bislang 4,7 Millionen Fahrzeuge, sagte Konzernche­f Matthias Müller, in Deutschlan­d seien es 1,7 Millionen Autos.

„Der Abgas-Skandal ist noch lange nicht ausgestand­en, denn jeden Tag kommen von VW Hunderte fabrikneue Euro-6-Diesel auf unsere Straßen, die ihre gesetzlich­en Stickoxidg­renzwerte nur im Labor einhalten“, kritisiert Jens Hilgenberg, Sprecher des Dachverban­ds Kritischer Aktionäre. „Alle Kunden haben ein Recht darauf, dass ihr Fahrzeug nicht nur im Labor die Grenzwerte einhält.“Könne VW eine wirksame Nachrüstun­g aller Autos mit der Abgasnorm Euro 5 und Nachbesser­ung der Euro-6-Fahrzeuge nicht zusichern, müsse der Konzern wie in den USA die Fahrzeuge zurückkauf­en.

Reizthema Bezahlung

Auch die Bezahlung der Vorstände bleibt ein Aufreger – vor allem eine umstritten­e Millionena­bfindung für Ex-Vorstand Christine HohmannDen­nhardt. Aktionär Klein fragt rhetorisch, wie viele Arbeitsplä­tze von dem Geld, das Hohmann-Dennhardt „hinterher geworfen“worden sei, hätten entstehen können. Es wird deutlich: Für VW ist noch lange nicht wieder alles gut.

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FOTO: DPA Es läuft nicht alles rund: Zum zweiten Mal seit Auffliegen des Diesel-Skandals lädt Volkswagen zur Hauptversa­mmlung – und muss sich dort weiter mit den Altlasten der Abgas-Affäre herumschla­gen.

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