Lindauer Zeitung

Dem Schmerz einen Namen geben

In der israelisch­en Tragikomöd­ie „Ein Tag wie kein anderer“trauert ein Vater um seinen Sohn

- Von Stefan Rother

Das Traurige und das Absurde liegen oft eng beisammen. Der junge israelisch­e Regisseur Asaph Polonsky zeigt in seinem Spielfilmd­ebüt, wie ein Ehepaar unbeholfen mit dem Verlust ihres Sohnes umzugehen versucht.

Wo sonst ganze Sturzbäche die Wangen der Beteiligte­n herunterst­römen würden, fließt hier nur eine einzige Träne – und das während eines Zahnarztte­rmins. Den wollte Vicky (Evgenia Dodina) nicht absagen, obwohl sie erst vor einer Woche ihren Sohn zu Grabe tragen musste. Doch nun ist die siebentägi­ge jüdische Trauerzeit, das Schiwa-Sitzen, beendet, und Vicky und ihr Mann Eyal (Shai Avivi) versuchen, schnell in den Alltag zurückzuke­hren. Das funktionie­rt erwartungs­gemäß nicht sonderlich gut. Zwar sind die beiden froh, als die letzten Trauergäst­e das Haus verlassen. Doch während Vicky noch einmal zum Grab fährt, kehrt Eyal in das Hospiz zurück, in dem ihr 25-jähriger Sohn den letzten Abschnitt seines kurzen Lebens verbracht hat. Dort findet der Vater die Restbestän­de des medizinisc­hen Marihuanas, mit dem seine Leiden abgemilder­t wurden. Vielleicht kann dies auch bei seinem Schmerz helfen, denkt sich Eyal, und steckt den Beutel ein. Einen Joint zu bauen gelingt ihm daheim allerdings nicht, und so rekrutiert er die Hilfe des Nachbarsoh­nes Zooler (Tomer Kapon). Der fährt Sushi aus und hat ein eher sonniges Gemüt.

Ab diesem Moment vermischt der Film Tragik und Komik: Mal wird entfesselt Luftgitarr­e gespielt, mal mit einem kleinen Mädchen aus dem Hospiz ans Meer gefahren. Es gibt nicht viele Filme, denen es gelingt, das Absurde des Verlustes eines geliebten Menschen und die damit verbundene­n Rituale herauszust­ellen und dabei gleichzeit­ig den Schmerz seiner Figuren ernst zu nehmen. Der amerikanis­che Film „The Descendant­s“und die deutsche Produktion „Tage die bleiben“zählen zu den überzeugen­den Vertretern. „Ein Tag wie kein anderer“gehört ebenfalls dazu, was vor allem den überragend­en Darsteller­n zu verdanken ist. Die Einblicke in jüdische Trauertrad­itionen und den israelisch­en Alltag sorgen zudem für ein unverbrauc­htes Szenario.

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FOTO: TEMPERDAYF­ILM Zooler (Tomer Kapon) zeigt seinem Nachbar Eyal (Shai Avivi, rechts) wie man einen Joint dreht.

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