Freundlich, sportlich und Spion
Der mutmaßliche Schweizer Spitzel in Deutschland hat eine Vergangenheit wie aus einem Agententhriller
ZÜRICH - Die Spionage-Vorwürfe gegen die Schweiz belasten das Verhältnis zwischen Deutschland und dem Nachbarn im Süden. Doch wer ist dieser Mann, der für rote Köpfe zwischen den Regierungen sorgt?
Steuerfahnder in Nordrhein-Westfalen hatten seit 2010 mit dem Ankauf gestohlener Bankdaten die Jagd auf deutsche Steuerhinterzieher in der Eidgenossenschaft verschärft; deutsche Spitzel waren schon zuvor im Nachbarland aktiv. Am 28. April dieses Jahres wurde der Schweizer Daniel M. in Frankfurt festgenommen. Seitdem sitzt er in Mannheim in Untersuchungshaft.
Sein Lebensweg erfüllt das Klischee des Agentendaseins, vieles klingt wie aus einem Thriller. Aufgewachsen ist der 54 Jahre alte Mann im Kanton Solothurn zwischen Basel und Bern. Einer kaufmännischen Lehre bei einem Reisebüro folgte von 1984 an eine Ausbildung bei der Stadtpolizei Zürich. Aber Daniel M. wollte nicht einfach Streife laufen. Ihn zog es in die Welt der organisierten Kriminalität. Da fühlte er sich als Fahnder in seinem Element. Die Vorgesetzten waren offenbar beeindruckt, nach Angaben des auf Bankenthemen spezialisierten Onlineportals „Inside Paradeplatz“wurde er für eine Zusatzausbildung zum FBI in die USA geschickt.
Sein nächster Karriereschritt. Von der Jahrtausendwende an war M. in der Großbank UBS für den Schutz der Vorstände und Verwaltungsräte innerhalb der Sicherheitsabteilung zuständig. Geholt hatte ihn ein früherer Kollege von der Stadtpolizei. Ganz nah an der Macht und in einem sensiblen Bereich, mehr konnte sich der Sicherheitsexperte kaum wünschen. Dennoch verließ er 2010 die Bank, machte sich selbstständig, erhielt aber anscheinend weiter Aufträge von der UBS. Passend dazu richtete er sein Büro an der noblen Bahnhofstrasse in Zürich und in Sichtweite zahlreicher Banken ein.
Bei Geheimdiensten bekannt
Daniel M. ist ein stämmiger, sportlicher Typ mit blauen Augen. Darüber hinaus wirkt er laut Schweizer Medien leutselig, ja sogar gutgläubig, so gar nicht der verbissene Dunkelmann mit hochgeschlagenem Mantelkragen. In der Szene ist der Sicherheitsfachmann bekannt, sein Netzwerk reicht weit in die Halbwelt der Geheimdienste. 2012 kommt seine große Stunde: Er soll herausfinden, wie die Steuerfahnder in Nordrhein-Westfalen ihr Gewerbe betreiben. Wer genau und mit welchem Auftrag den mutmaßlichen Spion losgeschickt hat, ist in der Schweiz Gegenstand eines großen Behörden- und Politikergerangels. Selbst einen „Maulwurf“soll der Mann in Düsseldorf platziert haben, aber das war wohl Wunschdenken des schweizerischen Geheimdienstes NDB gewesen, für den M. tätig war. Tatsache ist indes, dass Anfang 2012 der neue Bundesanwalt Michael Lauber ins Amt kam. In seinem Drang, sich zu profilieren, nahm Lauber die deutschen Fahnder nach Schwarzgeldkonten und deren unzimperliche Methoden aufs Korn. Noch im selben Jahr wurden Strafverfahren gegen drei Beamte in Nordrhein-Westfalen eingeleitet.
Später, so heißt es, sei Daniel M. vom mutmaßlichen Spion gegen deutsche Steuerbeamte zum mutmaßlichen Verkäufer von Schweizer Bankdaten geworden, ein Doppelagent also. Betroffen waren offenbar nicht zuletzt die UBS, der frühere Arbeitgeber, sowie die russische Gazprom Bank. Unterlagenbeschaffer soll ein Kontaktmann in Israel gewesen sein, aber in dieser jüngsten Etappe wuchern die Gerüchte und Behauptungen besonders heftig. Immerhin existieren Undercover-Fotos von Daniel M. aus dem Oktober 2014 im Frankfurter Hotel Interconti, wo er von angeblichen Datenkäufern 42 000 Euro erhielt. Vielleicht ist er in die Falle eines „Agent Provocateur“gelaufen, vielleicht lieferte er nur getürktes Material.
280 000 Franken dabei
Festgenommen wurde er im Februar 2015 nach einem Treffen, als er mit 280 000 Franken aus einem Hotel am Paradeplatz in Zürich kommend den Fahndern der Bundesanwaltschaft in die Arme lief, wie das Wirtschaftsmagazin „Bilanz“im August 2015 berichtete. Am Ende der Irrungen und Wirrungen um Daniel M. stehen die Vernehmungsprotokolle der Strafverfolger. Zum Ärger seines Anwalts Valentin Landmann, dem bekanntesten „Milieuanwalt“in der Schweiz, landeten diese ungeschwärzt bei den Behörden in Deutschland. Sie schufen die Grundlage für die Festnahme des Mannes Ende April.