Im Verband haben Radfahrer Vorfahrt
Tour durchs Stadtgebiet beim Stadtradeln ermöglicht interessante Erfahrungen
LINDAU - Knapp zwei Dutzend eingefleischte Radler haben beim „Stadtradeln“eine zehn Kilometer lange Tour durch das Stadtgebiet unternommen. Dabei haben sie insgesamt an die 250 Kilometer zusammengebracht, die nun auf das Lindauer Radel-Kilometer-Konto gehen. Aber am Ende zählt sowieso nur eines: Der Spaß am Fahrradfahren und die Bestätigung, dass man in Lindau eigentlich gar kein Auto braucht.
16 Radler sind am Mittwochabend am Lindauer Hauptbahnhof gestartet, und 25 kamen am Club Vaudeville an. Wenn das keine positive Bilanz ist. Zwischen Start und Ziel lag eine fröhliche Fahrt durch das Stadtgebiet, und bei perfektem Radlwetter streckenweise auch eine durchaus aufregende.
Die Radler treten unangestrengt in die Pedale, als es über den Eisenbahndamm und den Lotzbeckweg in Richtung Schachen geht. „Immer schön im Verband bleiben und zu zweit nebeneinander fahren“, ruft Matthias Kaiser von hinten, der weniger als Stadtrat und Polizeibeamter mit dabei ist, sondern eher als passionierter Radfahrer und Mitglied der Lokalen Agenda 21. Allerdings bedarf es Mut, als es darum geht die Wackerstraße zu überqueren. Der vordere Teil der Gruppe schafft es, der hintere Teil lässt sicherheitshalber den Autos die Vorfahrt.
„Die kennen wohl die Radregeln nicht“, sagt Kaiser tadelnd und meint damit die Autofahrer. Denn laut Verkehrsrecht ist eine Gruppe von mehr als 15 Radfahrern ein „geschlossener Verband“, der als ein einziger Verkehrsteilnehmer gilt. Die dürfen nicht nur zu zweit nebeneinander fahren, sondern auch gemeinsam über eine Kreuzung fahren – was bedeutet, dass Autos warten müssten.
Der Klügere gibt nach
Aber Radler sind eben schwächer als ein Auto, und Klügere geben sowieso lieber nach. Was auch kein Problem ist, denn die vorderen Stadtradler warten wie selbstverständlich auf die hinteren.
Und weiter geht es mit gemütlichem Pedaltritt die Schachener Straße hinauf in den Gruberweg und durchs schöne Wiesental. Die Fahrt durch urbanere Gefilde, wie Aeschacher Kreisel und Ludwig-Kick-Straße, verläuft entspannt und reibungslos. Ziemlich aufregend wird es auf der Kemptener Straße, wo der Verkehr stetig rollt und Autofahrer noch schnell an den Radlern vorbeiziehen, bevor sie anhalten müssen. Die meisten Autofahrer reagieren genervt über den Radlerverband. Denn diesmal rasen die Radler die Kemptener Straße hinunter und überqueren geschlossen die Köchlinkreuzung.
Wegen dem Gesetz des Stärkeren, mangelndem Platz in Wohnstraßen wie dem Lugeck oder aus Rücksichtnahme auf Spaziergänger im idyllischen Heuried und der fehlenden Puste an der Überführung von der Eichwaldstraße zur Bregenzer Straße, kommen die Radler erst im Club Vaudeville richtig ins Gespräch. Was auch so gedacht war, wie Daniel Obermayr, ebenfalls Mitglied der Agenda 21, bestätigt. Dabei dreht sich alles um das Thema Fahrrad.
„Ich fahre immer mit dem Rad. Ich habe gar kein Auto mehr“, sagt Volker Engelbach bei kaltem Bier und heißer Bratwurst und erzählt, dass er vor elf Jahren zu dem Schluss gekommen sei: „In Lindau braucht man kein Auto und in jede Himmelsrichtung fährt ein Zug.“Im Notfall, so erzählt er weiter und meint damit anhaltenden Landregen, behilft er sich mit dem Bus. Oder er nimmt sich ein Car-Sharing-Auto. Aber selbst dieses Angebot nutzt er höchstens zwei-, dreimal im Jahr, etwa, wenn er in die Berge zum Wandern will.
Flagge zeigen
Dass es sich in Lindau gut und gerne aufs Auto verzichten lässt, bestätigt auch Hans Schweickert. „Mit geringen Ausnahmen“zumindest, etwa im Winter. Da steigt der Lindauer auf Bus oder Taxi um. Deshalb ist er auch ziemlich froh darüber, dass der Stadtbus seine Fahrplanänderungen rückgängig gemacht hat.
Denn, so erklärt er, „da kam man nach Veranstaltungen nicht mal mehr nach Hause“. Warum sie beide, da sie doch sowieso immer Radfahren, bei der Stadtradelfahrt dabei sind? „Ich gehöre zur Agenda 21 und da will ich schließlich Flagge zeigen“, sagt Volker Engelbach. Hans Schweickert nickt und ergänzt: „Und so bin ich mal durch Gegenden gekommen, in denen ich vorher noch nie war.“