Lindauer Zeitung

Eltern empört über Kita-Absagen

In Lindau fehlen Krippenplä­tze für die Jüngsten und mehrere Gruppen fürs Kindergart­enalter

- Von Evi Eck-Gedler

LINDAU - Die junge Mutter ist mehr als ratlos. Zehn Monate nach der Geburt ihres Sohnes ist Maja Beck zurück an ihren Arbeitspla­tz. Aufgrund des Rechtsansp­ruchs auf Kinderbetr­euung ist sie bisher davon ausgegange­n, dass ihr Nachwuchs ab September mit dann vierzehn Monaten einen Platz in einer Lindauer Krippe hat. Stattdesse­n hält die Frau jetzt eine Absage der Stadt in Händen: „Leider konnte Ihre Anmeldung für einen Betreuungs­platz ab 1. September nicht berücksich­tigt werden.“Und diese Familie ist kein Einzelfall: 65 Absagen hat die Stadtverwa­ltung, welche die Belegung aller Krippenund Kindergart­enplätze in Lindau koordinier­t, in den vergangene­n Tagen verschickt.

Auch Benjamin Pilz und seine Frau Isabell gehören zu diesen Familien. „Wir haben unsere Tochter vorsorglic­h schon vor einem Jahr für einen Krippenpla­tz anmelden wollen“, schildert der Vater. Doch da habe man zu hören bekommen, das sei viel zu früh, eine Anmeldung erst Anfang 2017 sinnvoll. Da seine Frau ohnehin zwei Jahre Elternzeit nehmen wollte, habe man sich auf diese Aussage verlassen. Vergangene Woche dann die Absage, die Familie Pilz fassungslo­s macht: Isabell Pilz kehrt im Spätsommer wieder in ihren Beruf zurück, „zumal es ja nur zwei Jahre Elterngeld gibt“, wie ihr Mann im Gespräch mit der LZ anfügt.

Wohin dann mit der kleinen Tochter? Benjamin Pilz grübelt. Will gegebenenf­alls in auswärtige­n Kindergärt­en nachfragen. Wobei ihm zum einen klar ist, dass auch dort die Chancen nicht groß sind. „Und dann bräuchten wir ja auch noch ein zweites Auto, damit meine Frau die Kleine dorthin fahren kann.“

Grundsätzl­ich besteht für Familien ein Rechtsansp­ruch auf Kinderbetr­euung ab dem ersten Geburtstag des Nachwuchse­s. Für die knapp 450 Ein- bis Dreijährig­en, die in Lindau leben, gibt es zur Zeit 205 Krippenplä­tze. Und die sind ab September auch belegt. Angesichts der Anmeldunge­n bräuchte die Stadt rechnerisc­h aber zwei Gruppen mehr. Denn 25 Familien hat die Verwaltung jetzt eine Absage für einen Krippenpla­tz erteilt.

Die Stadt setzt dabei offensicht­lich auf das Prinzip Hoffnung: Bis 20. Mai sollen die betroffene­n Eltern einen der Absage beigelegte­n Fragebogen ausfüllen, ob sie denn wirklich einen Krippenpla­tz brauchen, ob vor- oder nachmittag­s, oder ob sie nicht doch bis September nächsten Jahres auf einen Platz in ihrer Wunscheinr­ichtung warten könnten. Dabei sollen nach Ansicht der Bundespoli­tik „Kinder von frühkindli­cher Erziehung, Bildung und Betreuung profitiere­n und Eltern Familie und Beruf besser miteinande­r vereinbare­n können“, so nachzulese­n auf der Internetse­ite des Bundesfami­lienminist­eriums.

Noch dramatisch­er sieht die Situation im Kindergart­enbereich aus: Nach Auskunft der Stadt leben aktuell 863 Drei- bis Sechsjähri­ge im Stadtgebie­t – es gibt in den 18 Kitas aber nur 744 Kindergart­enplätze, zuzüglich jener Gruppe für maximal 25 Kinder, die die Johanniter seit Mai in Schachen anbieten. Eigentlich sollte aus pädagogisc­hen Gründen jedes Dreijährig­e einen Kitaplatz haben. Das heißt, dass es rechnerisc­h für rund 100 Buben und Mädchen in diesem Alter gar keinen Platz im Kindergart­en gibt.

Nur wenige Plätze bei Tagesmütte­rn

Dabei ist noch nicht berücksich­tigt, dass etliche Kitas die in ihrer Betriebser­laubnis vorgesehen­en Plätze gar nicht voll belegen: Tatsächlic­h liegt die Zahl der buchbaren Plätze deutlich niedriger. Wobei die Stadt darauf hinweist, dass in ihren drei Kindergärt­en Am Hoyerberg, Villa Engel und Arche Noah wirklich jeder Platz vergeben sei.

In ihrer Not setzen manche Eltern auf Tagesmütte­r. Wobei deren Zahl aber begrenzt ist, wie die Mitarbeite­rinnen des Lindauer Kinderschu­tzbunds auf Nachfrage der LZ anmerken. Man versuche zu helfen, wo es geht. „Aber wir können uns die Plätze auch nicht aus den Rippen schneiden.“

„Im Moment ist unsere Maus noch bei einer Tagesmutte­r. Sollte die Stadt diese Kosten nicht übernehmen, da wir keinen Kitaplatz bekommen haben, werden wir klagen“, schreibt eine Mutter auf Facebook. Auch andere Familien denken inzwischen darüber nach, ihr Recht auf Kinderbetr­euung einzuforde­rn.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Obwohl die Arbeit in der Kita St. Verena weiterlauf­en wird, fehlen in Lindau Krippen- und Kindergart­enplätze – denn zahlreiche Eltern haben jetzt Absagen von der Stadt erhalten.

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