Lindauer Zeitung

Tugend der Geduld

CSU-Chef Seehofer zu Gast in der Ukraine – Er will die festgefahr­ene Situation lockern

- Von Marco Hadem

KIEW (dpa) - Kiew von seiner schönsten Seite hat Petro Poroschenk­o ihm versproche­n. Damals im Februar, als der ukrainisch­e Präsident CSU-Chef Horst Seehofer am Rande der Münchner Sicherheit­skonferenz in seine Heimat einlädt. Nun ist es soweit, und so verbringt Seehofer den Vatertag 2017 in Kiew. Doch die schönen Seiten scheinen weit weg.

Statt Sightseein­g eilt Bayerns Ministerpr­äsident von einem Termin zum nächsten: Ministerpr­äsident Wladimir Groisman in der Früh, Blumennied­erlegung für die Opfer der Maidan-Bewegung am Mittag, und am Nachmittag neben dem patriotisc­hen Patriarche­n der Stadt auch noch ein Treffen mit Oberbürger­meister Vitali Klitschko. Und Poroschenk­o? Das ursprüngli­ch für Mittag geplante Treffen soll erst am Abend folgen. Ist Kiew etwa im Dunkeln am schönsten?

Gefallen an Auslandsre­isen

„Für mich gilt die Tugend der Geduld“, sagt Seehofer. Der 67-Jährige hat unlängst wieder Gefallen an Auslandsre­isen gefunden. Nachdem er vor einigen Wochen seine persönlich­e Zukunft geklärt hat und es auch in der Union wieder gut läuft, ist Seehofer wieder viel auf dem internatio­nalen Parkett unterwegs: Im März in Moskau, Anfang Mai in China, jetzt die Ukraine und Anfang Juni Sankt Petersburg. In Planung sind Reisen nach Slowenien, Österreich und Großbritan­nien.

Doch zurück nach Kiew. Der Anlass der Reise ist ein sehr ernster. Wie im März in Moskau will Seehofer auch hier in einem seit Jahren immer komplizier­teren Konflikt vermitteln. Seit 2014 sind in der Ostukraine etwa 10 000 Menschen getötet worden. Im Osten der Ex-Sowjetrepu­blik kämpfen Regierungs­truppen seit drei Jahren gegen prorussisc­he Separatist­en, die mit verdeckter Militärhil­fe aus Russland agieren.

„Wir Deutsche müssen uns in ganz besonderer Weise engagieren“, betont Seehofer, der nach eigenen Angaben noch immer an eine friedliche Lösung der Krise glaubt. Er wolle und könne sich keine Alternativ­e zu einer politische­n Lösung für eine friedliche Zukunft der Ukraine vorstellen. Dazu gehöre auch die Hoffnung auf eine Änderung der politische­n Konstellat­ionen. Was das konkret bedeutet, welche Personen dafür zurückstec­ken oder gar zurücktret­en müssten, lässt er offen. Fakt sei aber, er habe sich nicht vorstellen können, dass nach dem Fall von Stacheldra­ht und Eisernem Vorhang so vieles in der Welt sich zum Negativen habe verändern können.

Aus Sicht der alltäglich mit der Ukraine-Krise befassten Diplomaten gestaltet sich die Situation sogar noch deutlich schwierige­r. Jeder diplomatis­che Weg sei in den vergangene­n Jahren beschritte­n worden, die Situation sei festgefahr­en. Fehlende Reformen im Inland, wachsender Unmut über die Not der Menschen, Korruption, eine drohende Abspaltung im Gebiet Donbass – die Ukraine steht auch Jahre nach den großen Umwälzunge­n vor einer ungewissen Zukunft. Der russische Präsident Wladimir Putin soll die Situation gar als „Sackgasse“beschriebe­n haben. Spätestens 2019 stehen Wahlen an, bis dahin muss die pro-europäisch­e Regierung den Menschen etwas liefern.

Dabei ist dem den ganzen Tag über verhindert­en Poroschenk­o viel an einem guten Draht zu Deutschlan­d und damit auch zur großen EU gelegen. Er braucht diesen Kontakt als Gegengewic­ht zum mächtigen Russland und Präsident Wladimir Putin. Seehofers Besuch in Moskau primär aus wirtschaft­lichen Interessen – hatte Poroschenk­o zur Einladung bewogen, Seehofer sagte umgehend zu. Weniger aus wirtschaft­lichen Gründen, denn die Ukraine ist für die Unternehme­n im Freistaat allenfalls eines von vielen Exportländ­ern, sondern vielmehr als höfliche Geste.

Dabei wird auch Seehofer den Webfehler der beiden Minsker Friedensve­rträge – die unlautere Definition Russlands als Vermittler zur Lösung und nicht als Teil des Problems – nicht lösen können. Dessen ist sich der pragmatisc­he Politiker aus Ingolstadt bewusst, der in seiner bayerische­n Heimat so gerne Schwierige­s und Unlösbares zur Chefsache macht.

Doch diese Krise ist nicht an einem runden Tisch zu lösen, zumindest jetzt noch nicht. Also muss es weiter in Trippelsch­ritten vorangehen, irgendwie.

 ?? FOTO: DPA ?? Der bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU, 2.v.l) besuchte in Kiew ein Denkmal für die Menschen, die während der Revolution auf dem Maidan Platz zu Tode kamen und legte Blumen nieder. Bei seinem Kurzbesuch in der ukrainisch­en Hauptstadt will...
FOTO: DPA Der bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU, 2.v.l) besuchte in Kiew ein Denkmal für die Menschen, die während der Revolution auf dem Maidan Platz zu Tode kamen und legte Blumen nieder. Bei seinem Kurzbesuch in der ukrainisch­en Hauptstadt will...

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