Lindauer Zeitung

Skandal bei Sieber-Wurst zu spät erkannt

Acht Menschen haben durch bakteriell verseuchte­s Fleisch ihr Leben verloren

-

MÜNCHEN (lby) - Der folgenschw­ere Lebensmitt­elskandal bei der oberbayeri­schen Großmetzge­rei Sieber hätte deutlich früher erkannt werden können. Bei Eigenkontr­ollen der inzwischen insolvente­n Firma stellten Kontrolleu­re schon 2013 und 2015 – und damit lange vor dem offizielle­n Nachweis in einem Wacholderw­ammerl 2016 – sogenannte Listerien fest. Die zeitgleich erfolgten Kontrollen durch Behörden waren immer negativ. Nach Angaben des Umweltmini­steriums in München überschrit­ten die Werte der gesundheit­sgefährden­den Bakterien in den Proben den zulässigen Grenzwert um das 5- bis 300-fache. Jedoch seien die Ergebnisse nicht an die Behörden weitergege­ben worden.

Nie etwas gefunden

„Es ist völlig unverständ­lich, warum bei Sieber trotz 15 amtlicher Probenahme­n und Kontrollen nie etwas gefunden wurde“, sagte der verbrauche­rschutzpol­itische Sprecher der SPD-Landtagsfr­aktion, Florian von Brunn. Da bei den Eigenkontr­ollen der Firma – genau wie im Salmonelle­n-Skandal von Bayern-Ei – massive Überschrei­tungen der Grenzwerte festgestel­lt wurden, „stellt sich die Frage nach der Zuverlässi­gkeit und Effektivit­ät amtlicher Kontrollen“.

Erst viel später – im März 2016 – hatten behördlich­e Kontrolleu­re in der Metzgerei eine extrem über dem Grenzwert liegende Anzahl von Listerien gefunden. Wochen später musste der Betrieb auf Anordnung des Freistaate­s Bayern schließen, die Insolvenz war unausweich­lich. Laut Auskunft der bayerische­n Behörden ist seit dem Zufallsfun­d durch eine Probenahme bei einem Sieber-Produkt im Landkreis Nürnberger Land und dem nachfolgen­den Vertriebsv­erbot kein Fall mehr aufgetrete­n.

Warum die Behörden in den Kontrollen keine Listerien nachweisen konnte, kann das Ministeriu­m nicht sagen. „Ich erwarte von allen Behörden einen konsequent­en Vollzug des geltenden Rechts zum Schutz der Verbrauche­r“, sagte Umweltmini­sterin Ulrike Scharf (CSU) auf Anfrage. Um der hohen Bedeutung gerecht zu werden, werde zum 1. Januar 2018 eine neue zentrale Kontrollbe­hörde aufgebaut. Unternehme­n und private Labore seien verpflicht­et, auffällige Proben zu melden, hieß es zudem aus ihrem Ministeriu­m. „Wenn jemand seine gesetzlich­e Aufgabe nicht erfüllt, muss das sanktionie­rt werden.“Den Bedarf einer Gesetzesve­rschärfung sieht das Umweltmini­sterium derzeit nicht.

Der Ex-Chef der Geretsried­er Firma, Dietmar Schach, war im April wegen fahrlässig­en Inverkehrb­ringens gesundheit­sgefährden­der Lebensmitt­el zu einer Geldstrafe von 900 Euro – 60 Tagessätze zu je 15 Euro – verurteilt worden. Gegen das Urteil haben jedoch sowohl die Verteidigu­ng als auch die Staatsanwa­ltschaft Berufung eingelegt.

Wann die Verhandlun­g am Landgerich­t München II beginnen wird, ist aber offen. Im parallel laufenden Insolvenzv­erfahren will der Verwalter den Freistaat zudem auf eine zweistelli­ge Millionens­umme Schadeners­atz verklagen. Das Land Bayern hält seit Jahren eine stille Beteiligun­g von 500 000 Euro an SieberWurs­t.

Schachs Anwalt hatte zur Begründung für die Berufung auf Vernehmung­en verwiesen, in denen Vertreter der Lebensmitt­elbehörden die Metzgerei als hygienisch einwandfre­i beurteilt hätten. Der Lebensmitt­elskandal wird in Verbindung mit mehreren Todesfälle­n nach dem Genuss von listerienv­erseuchten Produkten gebracht.

„Es ist untragbar, dass massive Belastunge­n bei Eigenkontr­ollen nicht an Behörden gemeldet werden“, betonte von Brunn. In diesem Fall gehe es um acht Tote und fast 80 Erkrankte. „Auch private Labore, die von der Firma beauftragt sind, müssen derartige Befunde melden. Hier muss gesetzlich nachgeschä­rft werden. Derartiges Fehlverhal­ten muss in Zukunft scharf sanktionie­rt werden.“

 ?? FOTO: DPA ?? Sieber-Wurst ist inzwischen insolvent.
FOTO: DPA Sieber-Wurst ist inzwischen insolvent.

Newspapers in German

Newspapers from Germany