Kathrine Switzer, Startnummer 261
Die verbotene Frau kommt zum Bodensee-Frauenlauf 2017 am morgigen Samstag
LOCHAU-BREGENZ - Beim 8. Bodensee-Frauenlauf am Samstag, 27. Mai, geht eine Frau an den Start, die vor exakt 50 Jahren Sportgeschichte geschrieben hat: Kathrine Switzer, eine US-Läuferin, absolvierte 1967 als erste Frau den Boston-Marathon mit offizieller Startnummer – der zornige Rennchef versuchte, sie von der Strecke zu rempeln. Vergeblich.
Ein Rückblick: Sie läuft locker, gelöst. Nach den ersten Kilometern nimmt Kathrine Switzer ihre Wollmütze ab, die sie beim Start des Boston-Marathons an diesem 19. April 1967 vor der Kälte und den Schneeflocken geschützt hat. Jeder kann nun ihre schulterlangen, dunklen Haare sehen. Dass eine Frau mitläuft, hatten vorher bereits einige der 740 Männer im Teilnehmerfeld bemerkt und Switzer mit Komplimenten bedacht. Doch mit der guten Stimmung ist es jäh vorbei, als Switzer auf dem Asphalt hinter sich hart und hastig Ledersohlen klackern hört. So ein Geräusch macht kein Marathonläufer. Schon spürt sie eine Hand am Rücken, dreht sich um und sieht in ein wütendes Gesicht: „Verlass verdammt noch mal mein Rennen und gib mir die Startnummer“, faucht sie Rennleiter Jock Semple wutentbrannt an.
Griff nach der Startnummer
Eine Frau im Männerrennen – das gab es noch bei keinem Marathon, das durfte auch bei der 71. Auflage des Langstreckenklassikers in Boston nicht sein. Semple greift nach der Startnummer 261 auf Switzers Rücken, erwischt aber nur die rechte obere Ecke. Denn von links rauscht Switzers Freund Tom Miller heran, Hammerwerfer und Ex-Footballspieler. Der 115-Kilo-Mann rempelt Semple mit einem wuchtigen Schubs einfach weg. „Er hat ihn durch die Luft gejagt“, sagt Switzer und lacht, als sie – wie wohl so oft – die Story ihres legendären Rennens vor einem halben Jahrhundert erzählt. Damals vertraten Sportfunktionäre geschlossen die Auffassung, Frauen seien zu einem Marathon körperlich nicht imstande. Ihnen könne „beim Laufen die Gebärmutter herausfallen“– von solchen und ähnlichen Mythen berichtet Switzer. Deshalb war ihnen eine maximale Wettkampfstrecke von 2,4 Kilometern erlaubt. An jenem 19. April 1967 hat die 21-jährige, kleine, zierliche Frau Großes geleistet: einen Beitrag zur Gleichstellung in einer Männerdomäne.
Sie hat die Sportwelt verändert
Dass sie in die Sportgeschichte einging, hat die im oberpfälzischen Amberg geborene Tochter eines US-Soldaten „gewissen Umständen zu verdanken“, wie sie selbst sagt. Seit ihrem zwölften Lebensjahr hatte sie ihren Namen nicht mehr als Kathrine Virginia Switzer geschrieben, sondern nur noch K. V. Switzer. Genauso füllte sie auch den Anmeldebogen für den Boston-Marathon aus. Niemand ahnte, dass hinter den Initialen eine Frau steckte. Da Switzer und ihre drei Mitläufer als Gruppe angemeldet waren, konnte einer für alle die Startnummern abholen. Zudem trug Switzer am Wettkampftag der Kälte wegen dicke, graue Trainingskleidung sowie eine Wollmütze.
Nach dem Zwischenfall mit Renndirektor Semple sei sie verängstigt, aber auch wütend gewesen, sagt Switzer. Vor allem aber fest entschlossen, diesen Marathon „auf jeden Fall zu beenden“. Semple schrieb später in seinem Buch „Just call me Jock“, ihm sei es lediglich um die Startnummer gegangen. Switzer spricht von einer späteren engen Freundschaft, sie denke jeden Tag an ihn: Wie könne man einen Mann nicht lieben, der einem geholfen habe, die Sportwelt zu verändern? Entscheidend aber, so betont sie, sei gewesen, dass Fotografen die Szene festhielten. Vor allem drei Bilder von Harry Trask gehörten „zu den bemerkenswertesten in der Geschichte des Frauenlaufens“.
„Bin gespannt auf den Flair“
„Was vor 50 Jahren ein dramatischer Vorfall war, wurde letztendlich zu einem richtungsweisenden Moment – für mich und für Läuferinnen auf der ganzen Welt“, sagt sie. Die Amerikanerin ist mittlerweile 70 Jahre alt. Sie läuft immer noch aktiv und setzt sich für Frauen ein, die aufgrund von Religion, Hautfarbe oder Rasse benachteiligt werden. Wie sehr die Frauenlauf-Pionierin damit zum BodenseeFrauenlauf passt, bei dem auf Hautfarbe, Alter oder Religion keine Rolle spielen, wird an dieser Stelle sehr deutlich. Extra für den BodenseeFrauenlauf reist Switzer aus den USA an und erzählt voller Vorfreude: „Ich freue mich sehr, beim Bodensee-Frauenlauf dabei zu sein und die Stimmung mitzuerleben. Ich bin gespannt auf den Flair entlang des Bodensees, werde selbst die fünf Kilometer laufen und gemeinsam mit Tausenden Frauen feiern.“
Mit Kathrine Switzer, der beeindruckenden Laufpionierin, wird beim Bodensee Frauenlauf der Slogan „Ohne Frauen läuft nichts“noch bedeutender und zeigt wie wichtig es ist, dass Frauen Mut beweisen und ein starkes Signal setzen. Genau aus diesem Grund ist beim BodenseeFrauenlauf jede Frau eine Siegerin. Egal ob Hobbyläuferin, Genusswalkerin oder Laufdebütantin – sie laufen gemeinsam mit viel Spaß, Freude und jeder Menge Begeisterung. Es wird ein emotionsgeladener Tag mit vielen Momenten für die Ewigkeit und jede Menge spannender Highlights.