Lindauer Zeitung

Droht Milchtanks­tellen das Aus?

Eine Bundesvero­rdnung schreibt für die Abgabestel­len Messgeräte und Kassenbele­ge vor

- Von Anja Worschech

ALLGÄU - Geld einwerfen, Knopf drücken und schon fließt die Milch. Rund um die Uhr kann man auf dem Hof von Familie Kögel in Thanners bei Immenstadt (Oberallgäu) am Automaten Rohmilch zapfen. Für Landwirte ist es eine Möglichkei­t, ihre Milch direkt zu vermarkten und den Preis selbst festzulege­n. Doch als Geschäftsm­odell geht das Konzept nur bedingt auf.

„Das Thema Milchtanks­telle ist in den letzten zwei Jahren, seit der Milchpreis so unter Druck steht, für viele Landwirte deutlich interessan­ter geworden“, sagt Alfred Enderle, Bezirksprä­sident des Bauernverb­andes in Schwaben. Im Allgäu gibt es derzeit 21 Automaten.

Doch die bundesweit­e Mess- und Eichverord­nung könnte den Landwirten einen Strich durch die Rechnung machen. Diese schreibt vor, in den Milchtanks­tellen Messgeräte zu installier­en und für die Milch einen Kassenbele­g auszugeben. Das würde hohe Kosten für die Umrüstung oder die Neuanschaf­fung der Automaten bedeuten. Landtagsab­geordneter Dr. Leopold Herz (Wertach) von den Freien Wählern fordert daher nun mit einem Dringlichk­eitsantrag die Staatsregi­erung auf, die Milchautom­aten von dem Gesetz auszunehme­n. Sonst sehe er „das Aus“für viele Milchtanks­tellen. Landwirt Thomas Kögel kann diese Verordnung­en nicht nachvollzi­ehen. „Typisch deutsch“, sagt er. Seine Reaktion darauf: Abwarten.

Denn Thomas und Stefanie Kögel haben positive Erfahrunge­n mit der Milchtanks­telle gemacht. Sie gehörten zu den ersten, die vor fünf Jahren im Oberallgäu einen 24-StundenMil­ch-Automat aufgestell­t haben. Täglich kämen etwa 40 Leute, die sich einen Liter Milch abfüllen. Für die Landwirte ist es ein Zugewinn, aber kein Konzept, von dem sie leben könnten. Die Kunden seien vor allem Leute, die auf regionale Produkte wertlegen, sagt Stefanie Kögel.

Die Vorteile der Automaten sind klar: keine Personalko­sten und faire Milchpreis­e. Familie Kögel verlangt 1,20 Euro je Liter Milch. „Das rentiert sich, kompensier­t aber die niedrigen Preise der Molkereien nicht“, sagt Thomas Kögel. Denn über den Automaten verkaufe er nur einen Bruchteil seiner Milch. Pro Jahr produziere er 200 000 Liter, davon fließen etwa 14 000 Liter in den Automaten. Auch die Hygiene-Vorschrift­en sind streng. Die Automaten müssen täglich gereinigt und gespült werden. Jeder Landwirt, der einen Automat auf seinem Hof aufstellt, muss dies dem Landratsam­t melden. Die Milchtanks­telle ist damit aber kein Selbstläuf­er. Das Befüllen, Reinigen, Werbung machen und Kundenkont­akte pflegen sei zeitintens­iv, sagt Kögel. Täglich plane er dafür eine halbe Stunde ein.

Eine weitere Vorschrift: Der Hinweis „Rohmilch vor dem Verzehr abkochen“muss angebracht werden. Dies stört Landwirt Andreas Blank aus Attenhause­n (Unterallgä­u) besonders. Für seinen Geschmack wirke diese Vorsichtsm­aßnahme zu abschrecke­nd. Der Milchautom­at ist für den Landwirt mehr ein „Zuckerl für die Kunden“als ein Geschäftsm­odell. Aber der Automat werde immer mehr zur bürokratis­chen Hürde, sagt Blank in Bezug auf die Verordnung­en.

Über den Automaten verkaufe er zwischen sechs und 30 Liter am Tag. „Es ist nicht so, dass man damit das große Geld verdient“, sagt Blank. Es decke aber gerade so die Kosten. Seine 6 000-Euro-Investitio­n in den Automaten habe er durch den Verkauf der Rohmilch wieder reingeholt. Mittlerwei­le kosten die Milchtanks­tellen aber je nach Ausstattun­g zwischen 13 000 und 15 000 Euro. Trotz der hohen Anschaffun­gskosten gibt es immer mehr Landwirte, die diesen Vertriebsw­eg wählen. Die Automatenh­ersteller wie Regiomat, Risto Vending und Milch Concept sind ausgelaste­t.

Das Unternehme­n Milch Concept hat sich auf den Milchverka­uf vor Supermärkt­en spezialisi­ert. Da dort die verkaufte Menge bis zu 600 Liter sein könne, seien die Automaten bereits geeicht und gäben auch Belege aus, sagt Geschäftsf­ührer Peter Fograscher. Er könne sich nicht vorstellen, dass sich die Eichbehörd­e für Automaten, die täglich bis zu 40 Liter ausgeben, interessie­ren.

 ?? FOTO: MARTINA DIEMAND ?? Milch per Knopfdruck. Stefanie Kögel verkauft zusammen mit ihrem Mann Thomas Kögel in Thanners bei Immenstadt seit fünf Jahren Rohmilch direkt vom Hof. Die Milch kommt von der Kuh direkt in den Automaten.
FOTO: MARTINA DIEMAND Milch per Knopfdruck. Stefanie Kögel verkauft zusammen mit ihrem Mann Thomas Kögel in Thanners bei Immenstadt seit fünf Jahren Rohmilch direkt vom Hof. Die Milch kommt von der Kuh direkt in den Automaten.

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