Italiener entdecken ihre Liebe zum deutschen Wahlsystem
Ex-Staatspräsident Giorgio Napolitano kommentierte das Ganze mit einem flapsigen Spruch: „Die Rasselbande rauft sich zusammen.“Damit meinte Napolitano die jüngsten politischen Entwicklungen Italiens. Die großen Parteien, die sich, so die Zeitung „La Repubblica“, „bis gestern noch spinnefeind waren“, lächeln sich seit Tagen freundlich zu. Sie wollen so schnell wie möglich Parlamentswahlen ausrufen. Schon im September, direkt nach der parlamentarischen Sommerpause, oder spätestens im Oktober.
Silvio Berlusconi, Chef der Mitterechts-Partei Forza Italia, telefoniert wieder freundschaftlich mit dem Sekretär der Sozialdemokraten und ehemaligen Regierungschef Matteo Renzi. Sogar der Sekretär der ausländerfeindlichen Rechtspartei Lega Nord, Matteo Salvini, spricht wieder mit Renzi. Auch der bärbeißige ExKomiker Beppe Grillo, Gründer der 5-Sterne-Bewegung, ist mit von der Partie. Sie alle eint ein Ziel: Neuwahlen so schnell wie möglich. Renzis Vorschlag der Einführung des deutschen proportionalen Wahlsystems in Italien, um auf diese Weise den seit Jahrzehnten dauernden Reformen des geltenden Wahlrechts ein Ende zu machen, bringt die seit Jahren zerstrittenen Parteiführer an einen Tisch. Mit dem deutschen Wahlsystem, davon sind Renzi, Berlusconi, Salvini und Grillo überzeugt, lassen sich klare Koalitionsvereinbarungen und Mehrheiten schaffen. Renzi beschwört sogar eine „Revolution der politischen Stabilität in Italien“.
Verärgert reagieren die kleinen Parteien Italiens, die seit Jahrzehnten oft das entscheidende Zünglein an der Waage spielten. Renzis Idee: „Weg mit den Kleinen und ihrem viel zu großen Einfluss, her mit klaren Bündnissen unter den Bigs der ItaloPolitik.“Geplant ist auch die Einführung einer Fünfprozentklausel für kommende Wahlen. Gegen diese Zugangsbeschränkung protestieren sämtliche kleinen Parteien. Allen voran der amtierende Außenminister der Regierung. Angelino Alfano ist Chef der kleinen und nach der Loslösung von Forza Italia erst 2013 gegründeten Mitte-Rechts-Partei Nuovo Centrodestra. Alfano weiß, dass er die Fünfprozenthürde nie schaffen wird.
Renzi und Berlusconi sind sich einig
Unbeeindruckt von Protesten basteln Renzi und Medienzar Berlusconi bereits an einer möglichen Koalition. Eine Idee, die den vor einigen Monaten aus Protest gegen den als zu liberal und zu wenig links verurteilten Kurs Renzis aus den Sozialdemokraten ausgeschiedenen Alt-Sozis gar nicht gefällt. Sie sprechen, wie der ehemalige sozialdemokratische Regierungschef Massimo D’Alema, von einem „Teufelspakt mit Berlusconi, den wir in keiner Weise unterstützen werden“.
Nicht ausgeschlossen ist auch, dass Grillo und Salvini eine politische Zweckehe eingehen könnten, um gemeinsam die Regierungsverantwortung zu übernehmen. Erste Kontakte gibt es bereits. Aber nicht wenige Sympathisanten der FünfSterne-Bewegung Grillos sind gegen eine mögliche Koalition mit einer Partei wie der Lega Nord, die sich als Front National All’italiana versteht.
Umfragen zufolge würde keines dieser möglichen Bündnisse bei den kommenden Wahlen mit dem deutschen Wahlrecht eine klare Mehrheit erreichen. Wieder einmal politische Instabilität, befürchten deshalb Italiens Banken, der Unternehmensverband und die Gewerkschaften.