Kaufbeurer Fünfknopfturm ist bis nach oben offen
Künftig dürfen Besucher bis unters Dach steigen – Ab Herbst Führungen geplant
KAUFBEUREN - Unwillkommener Besuch vor den Stadttoren und Rauchfahnen versetzten einst den Türmer in Aufregung. Wenn der Wächter die Brandglocke schlug, war Gefahr in Verzug. Bald soll der atemberaubende Blick vom Fünfknopfturm in Kaufbeuren nicht mehr Feinden und Feuer gelten, sondern dem reinen Vergnügen. Die Mitglieder eines Fördervereins und die Stadt wollen das für die Öffentlichkeit gesperrte Denkmal zugänglich machen. „Wir geben den Kaufbeurern ihr Wahrzeichen zurück“, sagt Vereinsvorsitzender Klaus Müller.
Vieles ist, wie es Jahrhunderte war. Die Feuerglocke lässt sich noch schlagen. Originalbalken aus dem Baujahr um 1420 ragen aus Decken. 92 Stufen führen in die Türmerstube unter dem Dach. Details erzählen vom ebenso exklusiven wie einfachen Leben des letzten Türmers Hermann Höntze und der Familie Kunstmann, die als Mieter 2014 ausgezogen waren. Ein selbstgezimmertes Klo aus Klavierholz, das den Gang ins 30 Meter tiefere Erdgeschoss überflüssig machte. Eine Seilrolle für Kohlen und Wasser. Oder die Kupferkugel, einer der namensgebenden Knöpfe vom Dach. Müller deutet auf fingerdicke Löcher. „Man sieht sehr schön die Blitzeinschläge“, sagt er.
Die Kaufbeurer hängen an ihrem denkmalgeschützten Turm, der als Teil der Stadtmauer im Westen hoch über der Altstadt steht. Einst verband der erste Telefonanschluss Kaufbeurens die Türmerstube mit dem Rathaus. Heute erinnert das Wahrzeichen mit dem fast 100 Jahre alten Wappenschild an der Ostfassade an die spannende Historie einer stolzen Stadt. „Der Turm hat so viel zu erzählen“, sagt Müller. Der 70 Mitglieder zählende Verein will die Eröffnung der Wehranlage zum Geburtstag des Schildes Ende September feiern.
Paradies vorgefunden
„Alles, was nicht historisch ist, musste dafür raus“, sagt der Vereinsvorsitzende. Einbauschränke, Lampen, Deckenund Bodenverkleidungen wurden rausgerissen. Zuvor hatten Historiker das trutzige Gemäuer unter die Lupe genommen. Sie fanden ein Paradies vor, denn das Bauwerk ist 600 Jahre nach seiner Erbauung nicht nur in erstaunlich gutem Zustand, sondern auch bautechnisch von Interesse. Unten sind die Mauern 1,30 Meter dick, oben lediglich 70 Zentimeter. Empfindliche Gemüter im Dachstuhl wollen Bewegungen bei Sturm verspüren. Das dürfte aber keine der Trauungen stören, die künftig möglicherweise ebenfalls in der Türmerstube stattfinden.
Neben der Sanierung und Neueinrichtung haben sich Stadt und Verein angesichts der schmalen Zufahrt zum Turm und der hohen, engen Stiege lang mit dem Brandschutz beschäftigt. Denn statt der zuletzt vierköpfigen Familie werden bald ganze Besuchergruppen über die steile Holztreppe nach oben gelangen. Brandmeldeanlagen, Fluchtfenster und Rettungspläne sollen nun für Sicherheit sorgen, die Zahl der Gäste bei jeder Führung wird beschränkt sein. Bevor es soweit ist, kommt das Gemäuer beim Tänzelfest Mitte Juli zu Ehren. Bei dem Kinderfest steht der Turm bereits im Mittelpunkt. Bis dahin soll auch das Gerüst abgebaut sein, hinter dem sich die stolze Pracht des Turms derzeit versteckt.