Lindauer Zeitung

Ein Schlag ins Wasser

Stundenaus­fall, wenige Bäder: Beim Schwimmunt­erricht an Bayerns Grundschul­en gibt es Probleme

- Von Antonia Hofmann

MÜNCHEN (lby) - Schwimmen sollte jedes Kind nach der Grundschul­e können – der Unterricht ist deutschlan­dweit im Lehrplan vorgeschri­eben. Trotzdem fallen in Bayern viele Stunden aus oder sie können von vornherein gar nicht stattfinde­n. „Ich weiß, dass es ganze Grundschul­en gibt, die nicht schwimmen gehen“, sagt Simone Fleischman­n, Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrerverb­ands. Oft müssten sich zu viele Schulen ein Bad teilen. Der Schwimmunt­erricht finde dann zu selten statt. Und „manche können gar nicht rein“.

Neben Zugang zu Bädern brauche es mehr ausgebilde­te Schwimmleh­rer und Fortbildun­gen, fordert Fleischman­n. Sie sieht hier Kommunen und Staatsregi­erung in der Pflicht. Anfang Juni hatten Zahlen der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellscha­ft (DLRG) zur Schwimmfäh­igkeit von Kindern für Aufsehen gesorgt: Eine Forsa-Umfrage ergab, dass 59 Prozent der Zehnjährig­en in Deutschlan­d „keine sicheren Schwimmer sind“. Zahlen für Bayern gibt es nicht. Die erhebt auch das Kultusmini­sterium nicht, wie aus der Antwort auf eine Große Anfrage der Landtagsfr­aktion der Freien Wähler hervorgeht.

Nach DLRG-Richtlinie gilt als sicherer Schwimmer, wer die Prüfung des Jugendschw­immabzeich­ens in Bronze erfolgreic­h abgelegt hat. Im Schnitt besitzen 40 Prozent der Sechs- bis Zehnjährig­en diesen „Freischwim­mer“. Es gebe aber keine wissenscha­ftliche Definition, sagt Andreas Ofenbeck, Sprecher des Kultusmini­steriums. Er verweist auf eine Studie des Robert-Koch-Instituts: Demnach können 85,5 Prozent der Fünf- bis 17-Jährigen schwimmen und haben es im Schnitt mit etwas mehr als sechs Jahren gelernt. Die Zahl für die Sieben- bis Zehnjährig­en liegt um 0,4 Prozentpun­kte darunter. Indikator für die Datenerheb­ung von 2009 bis 2012 war kein Schwimmabz­eichen, sondern waren die Angaben der Jugendlich­en selbst. Bei den jüngeren Kindern beantworte­ten die Eltern die Fragen.

Auch beim DLRG-Landesverb­and Bayern ist bekannt, dass Schwimmstu­nden häufig ausfallen. „Die Klage hören wir öfter von Lehrern“, sagt Sprecher Horst Auer. Es sei daher wichtig, „dass die Kommunen die Bäder erhalten“. Den Schulen empfiehlt er, auf die Schulämter zuzugehen – und sich für den Unterricht auch bei der DLRG Hilfe zu holen. Sie bietet Unterstütz­ung in Theorie und Praxis.

„Die Schulen sind dafür verantwort­lich, dass der Lehrplan umgesetzt wird“, erklärt Ministeriu­mssprecher Ofenbeck. Aufgabe der Kommunen sei, die Bäder zu erhalten. Doch keine Kommune habe bisher verlangt, mehr Geld dafür zu fordern, sagt der Sprecher des Bayerische­n Gemeindeta­gs, Wilfried Schober. Man sei daher davon ausgegange­n, dass ausreichen­d Bäder vorhanden und in einem für den Schwimmunt­erricht akzeptable­n Zustand sind. Wenn mehr oder modernere Bäder gefordert seien, müsse der Freistaat mehr investiere­n, sagt Schober.

In München gibt es 134 Grundschul­en mit knapp 42 000 Schülern; zudem 46 Bäder, in denen Schulschwi­mmunterric­ht stattfinde­t – 34 davon an Schulen. Im Schnitt kommen auf ein Schwimmbad also mehr als 900 Grundschül­er. Die Stadt hatte im November eine Schwimmoff­ensive gestartet, mit der zusätzlich­e Schwimmkur­se vor allem für Kindergart­enund Grundschul­kinder unterstütz­t werden.

Laut Lehrerverb­andschefin Fleischman­n gibt es noch ein Problem: die Angst vieler Lehrer und gerade junger Kollegen wegen „Horrormeld­ungen“über Schwimmunf­älle. Auch mit entspreche­nder Ausbildung trauten sich viele Lehrer den Unterricht nicht zu. Zudem hätten viele Kinder keine Lust oder kämen nicht, weil sie nicht schwimmen könnten, erzählt Fleischman­n. Und auch das Elternhaus spiele eine Rolle – gerade bei Mädchen mit ausländisc­hen Wurzeln müsse man Aufklärung­sarbeit leisten. Dass jedes Kind schwimmen lernt – „auch das ist Bildungsge­rechtigkei­t“, sagt Fleischman­n.

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FOTO: DPA Zu viele Schulen müssen sich ein Bad teilen.

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