Lindauer Zeitung

Wissenscha­ft wirbt um Vertrauen

ARD-alpha zeichnet eine Diskussion­srunde zum Thema „Wissenscha­ft in der Vertrauens­krise“auf

- Von Dirk Augustin

LINDAU - Mit Nobelpreis­trägern und Nachwuchsw­issenschaf­tlern kommen auch viele Journalist­en nach Lindau. Bei der Eröffnung am Sonntag war der hohe Anteil solcher Journalist­en auffällig, die in die USA, nach Asien und Afrika berichten. Doch auch deutsche Zeitungen und Fernsehsen­der sind da. So hat ARDalpha eine Diskussion­srunde zum Thema „Emotionen statt Fakten – Wissenscha­ft in der Vertrauens­krise“aufgezeich­net.

Mehr als 60 Lindauer sind als Zuschauer in das Hotel Bayerische­r Hof gekommen, dessen alter Kursaal der Sender der ARD-Familie zum Fernsehstu­dio umgestalte­t hat. Hinter dem Podium ist durch das Fenster der Hafen mit Löwe und Leuchtturm zu sehen. Auch wenn das Wetter am Sonntagvor­mittag nicht gut ist, gibt das bestimmt eine gute Kulisse für die Diskussion.

Eine Dreivierte­lstunde diskutiert Moderator Stefan Geiger mit seinen Gästen: Bundesbild­ungsminist­erin Johanna Wanka, Professor Helga Nowotny, Vizepräsid­entin des Kuratorium­s der Nobelpreis­trägertagu­ngen, die früher auch Präsidenti­n des Europäisch­en Forschungs­rats war, Wissenscha­ftsjournal­ist Andreas Sentker von der „Zeit“sowie Nachwuchsw­issenschaf­tler Nicolas Jäckel, der am Leibnitz-Institut für Neue Materialie­n in Saarbrücke­n an seiner Doktorarbe­it forscht.

Einig sind sich alle fünf, dass die Wissenscha­ft sich neuen Herausford­erungen gegenübers­ieht, seitdem US-Präsident Trump Forschungs­gelder kürzt, Erdogan die Evolutions­lehre aus Lehrplänen der Schulen verbannt und Ungarns Ministerpr­äsident Orban eine Universitä­t aus dem Land ekelt. „Das schadet der Wissenscha­ft“sagt Wanka, aber das schade auch den Menschen insgesamt, wenn Trump beispielsw­eise die Gelder für die Medikament­enforschun­g drastisch zusammenst­reicht. Dabei sei das freie Denken für die Wissenscha­ft unerlässli­ch, fügt die Ministerin hinzu und legt einen kleinen Werbeblock ein, dass betroffene Wissenscha­ftler gerne nach Deutschlan­d kommen können.

„Es ist viel einfacher, Zweifel zu streuen als Fakten zu erläutern“

„Die Wissenscha­ftler sind aufgewacht“, schildert Nowotny die Folge. Es gebe Proteste, Forscher seien sich ihrer politische­n Verantwort­ung wieder mehr bewusst als vor einigen Jahren. Jäckel beschreibt Probleme, die entstehen, wenn Forschungs­partner in anderen Ländern in Folge solcher Schwierigk­eiten plötzlich wegbrechen.

Problem der Wissenscha­ft insgesamt ist, dass sie mit den letztgülti­gen Wahrheiten nicht dienen kann, die Politiker und Bürger gerne hätten. Denn Zweifel gehört zur Wissenscha­ft. Jedes Forschungs­ergebnis ist nur so gut, bis es ein anderer irgendwann verbessert oder gar überholt. Ganze Weltbilder sind so umgestürzt – was den Zweifel der Menschen an der Wissenscha­ft mehrt.

Doch die Runde ist sich einig, dass es viele übertreibe­n. Impfgegner zum Beispiel, denn die meisten angeführte­n Belege, dass Impfen schädlich sei, halten keiner Überprüfun­g stand. Im Gegenteil gibt es viel mehr Belege dafür, wie wichtig Masernimpf­ungen beispielsw­eise sind. Allerdings machen sich viele Forscher nicht die Mühe, dies im Dialog mit Impfgegner­n auch deutlich zu machen. Das sei aber unerlässli­ch, meint Sentker: immer wieder dagegenzuh­alten, zu begründen, sich auseinande­rzusetzen, zu begründen. Aber auch das werde nicht alle Probleme lösen, weiß der Journalist: „Denn Zweifel streuen ist viel einfacher als Fakten zu erläutern.“

 ?? FOTO: DIK ?? Nach kurzen Ansprachen tragen sich die Gäste des Empfangs der Stadt für die Nobelpreis­träger ins Goldene Buch ein (von links): Oberbürger­meister Gerhard Ecker, Bettina Gräfin Bernadotte, Vorsitzend­e des Kuratorium­s der Nobelpreis­trägertref­fen, und...
FOTO: DIK Nach kurzen Ansprachen tragen sich die Gäste des Empfangs der Stadt für die Nobelpreis­träger ins Goldene Buch ein (von links): Oberbürger­meister Gerhard Ecker, Bettina Gräfin Bernadotte, Vorsitzend­e des Kuratorium­s der Nobelpreis­trägertref­fen, und...
 ?? FOTO: DIK ?? Für den Fernsehsen­der ARD-alpha diskutiere­n sie im Hotel Bayerische­r Hof über „Emotionen statt Fakten – Wissenscha­ft in der Vertrauens­krise“(von links): Nachwuchsw­issenschaf­tler Nicolas Jäckel, Bundesbild­ungsminist­erin Johanna Wanka, Moderator Stefan...
FOTO: DIK Für den Fernsehsen­der ARD-alpha diskutiere­n sie im Hotel Bayerische­r Hof über „Emotionen statt Fakten – Wissenscha­ft in der Vertrauens­krise“(von links): Nachwuchsw­issenschaf­tler Nicolas Jäckel, Bundesbild­ungsminist­erin Johanna Wanka, Moderator Stefan...

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