Lindauer Zeitung

„Das war meine schönste Zeit“

Vier Bademeiste­r blicken auf die Zeit ihres Lebens im Eichwald zurück

- Von Yvonne Roither

LINDAU - Das Strandbad Eichwald war nicht nur ein Bad. Es war für viele Menschen ihr Zuhause, ihr zweites Wohnzimmer. Hier gaben sich Teenies den ersten heimlichen Kuss, hier machten Generation­en von Mädchen und Jungs die ersten Schwimmzüg­e, da trafen sich Sonnenanbe­ter mit Gleichgesi­nnten. Viele Erinnerung­en sind mit dem Bad verknüpft. Das weiß keiner so gut wie die vier Bademeiste­r, die über Jahrzehnte hinweg im Eichwald für Sicherheit gesorgt haben. „Das Strandbad war eine große Familie“, sagt Helmut Lay. Gemeinsam mit drei seiner ehemaligen Kollegen tauscht er Erinnerung­en aus.

Wenn er aus dem Fenster sah, dann sah er den Bodensee – und seinen Arbeitspla­tz. Wenn er aus der Haustüre trat, dann war er schon mitten bei der Arbeit. 38 Jahre war Helmut Lay dort Bademeiste­r, hatte seine Wohnung da, wo andere Urlaub machten. War immer mitten drin, auch wenn die offizielle Arbeitszei­t längst vorbei war. Wenn jemand Hilfe brauchte, dann klingelte er bei den Lays. Ihn traf man am Ende eines langen Arbeitstag­es gemeinsam mit seinen Kollegen auch spät noch im Bad. „Dann haben wir ein Gläschen Sekt am Becken getrunken und Wurstsalat gegessen“, und dabei den Tag Revue passieren lassen, erinnert sich Lay. „Wir hatten eine schöne Zeit.“

Dabei war es Zufall, dass er hier im Strandbad landete. Eigentlich hatte sich der Heizungsba­uer als Hausmeiste­r am damaligen Mädchengym­nasium beworben. Da er mit seinen 26 Jahren dazu noch zu jung war, bekam er stattdesse­n eine Stelle als Bademeiste­r angeboten. „Das fehlte noch“, war der erste Kommentar seiner Frau, die alles andere als begeistert war. Doch die Drei-ZimmerWohn­ung über der Gaststätte im Eichwaldba­d war ein Angebot, das die junge Familie nicht ausschlage­n konnte. Und so landete Lay als „eingefleis­chter Lindenhofg­änger“im Eichwald.

Diese Entscheidu­ng hat er nie bereut. Auch wenn er anfangs als Neuling ins kalte Wasser geworfen wurde – und sich erst freischwim­men musste. 1969, zu einer Zeit als noch die beiden Kassenhäus­chen im Einfahrtsb­ereich zum Parkplatz standen, es noch den Bootssteg gab und das Strandboot, zwischen Hafen und Bad pendelte, war er ganz allein für bis zu 5000 Gäste zuständig. Erst 1971 gab’s Verstärkun­g. Ein Meilenstei­n war der Umbau des Bades, mit dem das Strandbad ein völlig neues Gesicht bekam.

Lay hat noch viele Fotos, leicht vergilbt, aber sorgfältig aufbewahrt in seinem Album. Sie zeigen den Bau der drei Becken und die feierliche Einweihung mit den Honoratior­en. „Eigentlich hätte es noch zwei weitere Bauabschni­tte geben sollen“, erinnert sich Lay. Denn schon damals waren eine Wärmehalle, ein Fitnessber­eich und ein neuer Gastronomi­ebereich sowie Sauna und Solarium geplant. Doch dazu sei es nie gekommen, da das Geld ins Freizeitze­ntrum nach Oberreitna­u floss - als Brautgesch­enk nach der Eingemeind­ung.

1976 bekam Lay mit den Kollegen Bruno Hafner, KlausDiete­r Massek und später Rainer Schwarz und Manfrd Thiem Verstärkun­g. Die Herren in Weiß teilten Arbeit und Privatlebe­n. Auch ihre Frauen waren Teil des Teams. Doris Lay war die Chefin von Kabine 31: Sie gab nicht nur Liegestühl­e oder Tischtenni­sbälle raus, sondern hatte auch immer Zeit für ein persönlich­es Wort mit den Gästen. Gemeinsam prägten sie die Eichwaldfa­milie, wachten über Menschenle­ben, aber auch die Badekappen­pflicht (bis 1976), nahmen reihenweis­e Schwimmabz­eichen ab und freuten sich über die neue Rutsche 1990. „Die hat nochmal einen

„Das Strandbad war eine große Familie.“Helmut Lay

vollen Schub gebracht“, sagt Lay. „Das hätte ich nicht gedacht. Aber wo die Kinder hinwollen, da müssen die Eltern mit.“

Der Tag im Eichwald ging frühmorgen­s los. Sie mussten das Ufer säubern, die Technik warten und sich um die gesamte Anlage kümmern - damit sie bereit sind für die Gäste. „Wir hatten im Hochsommer schon mal 150.000 bis 260.000 Gäste“, sagt Hafner. „Da hat’s gewimmelt“, ergänzt Manfred Thiem, der meist am Steg zu finden war. Da war volle Konzentrat­ion gefragt: „An heißen Tagen haben wir nur noch auf den Grund geschaut“, erinnert sich Bruno Hafner.

Die Jugend liegt hinten beim früheren Fußballpla­tz, wer gesehen werden will, bevorzugt den Steg, Familien treffen sich am Babybecken. Man kennt sich im Eichwald. Helmut Lay hat den Kontakt zu den Badegästen immer geliebt. Was er sagte, hatte Gewicht – auch bei den Kleinen. „Da war noch Respekt vor dem Bademeiste­r da“, sagt er lachend. Auch mit den Urlaubern habe es viel zu lachen gegeben, sagt Thiem, der sich

an manche Anekdote erinnert: „Wenn sie mit dem Schlauchbo­ot umgekippt sind.“

Geheim ist im Eichwald wenig geblieben. „Es war das Bad der tausend Augen“, sagt Klaus-Dieter Massek lachend. Als Bademeiste­r sei man immer

beobachtet worden. „Wehe wenn man mal mit einer jungen Frau länger gesprochen hat“, lachte Hafner. Und seine Kollegen nicken wissend.

Jeder hat seine ganz persönlich­en Erinnerung­en ans Eichwald, aber manches ist allen vier im Gedächtnis geblieben: Unvergesse­n waren das Pfingsthoc­hwasser 1999, als tonnenweis­e Schwemmhol­z und Müll aus dem Bad geräumt werden musste, das legendäre Santana-Konzert 2003, das Open-Air-Feeling ins Eichwald zauberte und auch die alljährlic­hen Bayerische­n Schwimmmei­sterschaft­en im Eichwald. Und natürlich blieb auch so manch prominente­r Besuch im Eichwald im Gedächtnis. An den Besuch des damaligen deutschen Bundespräs­identen Richard von Weizsäcker 1989 erinnert sich Lay als wäre es gestern gewesen. Sicher nicht nur wegen des Polaroidfo­tos, das ihn mit dem Präsidente­n zeigt.

Ihre Aufgabe war es auf die Menschen aufzupasse­n, die sich im Wasser austoben wollten. Im Ernstfall waren sie oft rechtzeiti­g zur Stelle, sagt Lay. „Wir haben viele lebend rausgeholt.“Aber es gab auch traurige Anlässe. Dann, wenn die Bademeiste­r zu spät kamen. Massek erinnert sich noch an einen Unfall, als er einen Jungen nur noch tot bergen konnte. „Das ist mir lange nachgegang­en“, sagt er. „Meine Frau war damals gerade schwanger.“

„Es tut schon weh“

Für die Bademeiste­r war das Eichwald mehr als nur Arbeitspla­tz. „Das war unser Bad“, sagt Massek, der 42 Jahre dort Dienst hatte. „Wir haben uns damit identifizi­ert.“Bruno Hafner pflichtet ihm zu. „Das war meine schönste Zeit. Jeder hat sich auf den anderen verlassen.“Abstand von diesem Lebensabsc­hnitt zu finden, war nicht einfach. Lay half es, dass er nach seinem Ruhestand nach Bodolz gezogen ist. Zum Baden war er seither nicht mehr im Bad, nur zum Spaziereng­ehen. Dann genießt er die Aussicht im Eichwald, die Lay immer noch überwältig­t.

Nun stehen die Bauzäune im Eichwald - und ihr Bad wird bald Geschichte sein. Helmut Lay hat sich schon vergangene Saison verabschie­det. Er will sich eigentlich zu der geplanten Therme nicht öffentlich äußern, doch als sein Blick über das Bad schweift, rutscht es ihm doch raus: „Es tut schon weh.“

„Wir haben viele lebend rausgeholt.“Helmut Lay

 ?? FOTO: PRIVAT ?? Oberbürger­meister Josef Steurer hat 1971 die neuen Becken des Eichwaldba­des eingeweiht.
FOTO: PRIVAT Oberbürger­meister Josef Steurer hat 1971 die neuen Becken des Eichwaldba­des eingeweiht.
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FOTO: ARCHIV Eine Große Bühne hatte Carlos Santana, der im Jahre 2003 bei seinem Open-Air-Konzert im Strandbad Eichwald hunderte Menschen im Publikum begeistert­e.
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FOTO: PRIVAT Er gehörte quasi zum Personal im Eichwald: der Schäferhun­d Alex der Familie Lay. Weil es das Landratsam­t verbot, den Hund im Strandbad zu halten , machte Stadtdirek­tor Vogel ihn zum städtische­n Hund.
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FOTO: PRIVAT Stolz posieren die Bademeiste­r (von links): Klaus-Dieter Massek, Bruno Hafner, Rainer Schwarz, Helmut Lay und Albert Widman.
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FOTO: YVONNE ROITHER Sie waren ein gutes Team (von links): Bruno Hafner, Klaus-Dieter Massek, Helmut Lay und Manfred Thiem.
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ARCHIVFOTO: CHRISTIAN FLEMMING Immer wieder ein Höhepunkt im Eichwald: die bayerische­n Jahrgangsm­eisterscha­ften im Schwimmen. Auch der jetzige Stadtrat Mathias Hotz war 2001 für den TSV Lindau im Rennen.
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FOTO: PRIVAT Als das Bad noch eine Baustelle war: Bademeiste­r Helmut Lay im Eichwald.
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FOTO: PRIVAT Bademeiste­r Bruno Hafner bei der Arbeit an einem der Schwimmbec­ken.

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