„Man hat das Gefühl, die Welt steht Kopf“
Andreas Bourani kommt nach Tettnang und erzählt im Interview vom Songschreiben
TETTNANG - Mit „Auf Uns“hat Sänger Andreas Bourani eine wahre Hymne geschaffen, die auch über die Fußball-WM 2014 hinaus in aller Ohren geblieben ist. Am 27. Juli kommt der Popstar zum Regionalwerk Bodensee Schlossgarten Open Air nach Tettnang. Im Gespräch mit Linda Egger verrät der 33-Jährige, wie seine Songs entstehen, warum er gerne mal ins Weltall fliegen würde, welche Künstler ihn beeinfllusst haben und dass er morgens immer meditiert.
Was haben Sie bisher von Tettnang gehört? Bereiten Sie sich auf die Orte vor, an denen Sie spielen?
Ich war noch nicht in Tettnang, ich freue mich aber natürlich darauf – vor allem auf das Schloss. Ich habe gehört, dass das eine tolle Atmosphäre sein soll im Schlossgarten – das ist schon was Besonderes. Die Gegend kenne ich ein bisschen, der Bodensee ist ja nicht weit. In der Umgebung habe ich schon öfter gespielt, auch in Ravensburg.
Das letzte Album „Hey live“ist im Herbst 2015 erschienen. Dürfen sich Ihre Fans denn schon bald auf ein neues Album freuen?
Ich bin tatsächlich derzeit im Studio. Es gibt schon viel Musik und jetzt bin ich dabei, wieder neue Texte zu schreiben und zu schauen, was gibt es für Geschichten, was bewegt mich gerade, was treibt mich um? Die letzten Jahre war ich so viel unterwegs – zwei Mal „The Voice of Germany“, „Sing meinen Song“, die WM 2014 und was da alles los war. Deswegen habe ich jetzt echt Spaß im Studio und freue mich, wieder kreative Phasen zu haben.
A propos Schreiben: Für Ihre Texte haben Sie von der Gesellschaft für Deutsche Sprache einen Medienpreis für Sprachkultur bekommen. Wie entsteht so ein Liedtext bei Ihnen, wie gehen Sie beim Schreiben vor?
Das ist unterschiedlich, tatsächlich ist es meist irgendein Thema, das mich interessiert. Etwas, das immer wieder in mir aufkommt, mich bewegt. Oft sind es Zeilen, die immer wiederkehren, machmal sind’s nur Worte. Das ist etwas, was aus Momenten heraus entsteht. „Auf Uns“ist zum Beispiel entstanden, weil ich abends in Berlin mit Freunden beim Essen saß und mir dachte: Was würde ich denen sagen wollen, wenn ich jetzt aufstehe und eine Rede halte? – „Auf dieses Leben, auf diese Zeit mit euch, auf alles, was vor uns liegt, aufs Leben und auf uns.“Im Grunde inspiriert mich alles, was um mich herum passiert. Ich entwickle dann in so einer Schreibphase ein besonderes Bewusstsein für Menschen, für Geschichten und für Dinge, die mich irgendwie aufrütteln und irgendwas emotional mit mir machen.
Welche Songs bringen Sie im Juli mit nach Tettnang, gibt es da auch schon einen kleinen Vorgeschmack auf das neue Album?
Also neue Songs spiele ich noch nicht. Das ist noch ein bisschen zu früh, weil die noch nicht arrangiert sind. Es ist ein längerer Prozess, das dann auch auf die Bühne zu bringen. Alle Songs und Highlights aus den beiden Alben „Staub und Fantasie“und „HEY“sind dann natürlich auf der Bühne zu sehen. Und ich habe mir nochmal eine neue Show überlegt, die ein bisschen anspielt auf die letzte Hallentour, wo wir große LED-Türme dabei hatten.
Die Tour heißt „Die Welt von oben“– eine Anspielung auf das gemeinsame Projekt mit Sido, „Astronaut“?
Ja, das ist eine Zeile: „Ich seh’ die Welt von oben, der Rest verblasst im Blau.“Ich würde selbst auch gerne mal die Welt von oben sehen und das Weltall, und jetzt gerade ist eine Zeit, in der so viel passiert in der Weltgeschichte... es gibt Krieg, in der Türkei gibt’s irgendwelche Verfassungsabstimmungen, in Deutschland gibt’s plötzlich auch Rechtspopulismus, in Amerika wird Trump zum Präsidenten. Es sind so viele Dinge, die einem unverständlich sind, man hat das Gefühl, die Welt steht Kopf. Und dabei müsste man sein eigenes Leben eigentlich nur wieder auf die Dinge besinnen, die einen tatsächlich bewe- gen. Mir fällt es immer ein bisschen schwer, den Mittelweg zu finden zwischen die Nachrichten nicht zu ignorieren, aber sich auch nicht davon runterziehen zu lassen. Wenn man die Welt von oben sieht, sieht sie eigentlich immer friedlich aus. Das ist ja auch die Idee dieses Songs gewesen und da dachte ich mir, das passt doch gut in die Zeit gerade.
In „Astronaut“geht es darum, aus der Ferne einen kritischen Blick auf die Geschehnisse auf der Erde zu werfen. Ist das einer Ihrer Ansprüche, mit Musik durchaus auch mal politische oder sozialkritische Botschaften zu vermitteln?
Das habe ich bisher nicht gemacht, ich habe mich immer auf Emotionen beschränkt, die man als Mensch verspürt. Selbstreflektion oder Verbundenheit mit anderen Menschen waren immer eher Themen für mich. Aber ich bin halt Künstler. Alles was jetzt gerade von Bedeutung ist für mich, wird umgesetzt.
Wie gewinnt Andreas Bourani denn privat gerne ein bisschen Abstand vom Alltag?
Am besten gelingt mir das mit verreisen. Ich war jetzt acht Wochen mit einem guten Freund in Asien unterwegs. Wir haben uns zwei Rucksäcke gepackt und sind einfach losgereist. Das war für mich sehr inspirierend, ich habe ganz viel Kraft getankt und Abstand bekommen zu dem Leben, das ich hier führe, bin in eine ganz andere Kultur eingetaucht.
Da würde es sich ja anbieten, nach dem Konzert in Tettnang noch ein paar Tage am Bodensee dranzuhängen...
(Lacht) Ja, das ist richtig, aber ich weiß gar nicht, wie mein Spielplan ist. Aber ich schaue mir natürlich immer die Städte an, in denen ich spiele. Ich genieße es, durch meinen Beruf so viel in Deutschland rumzukommen und Orte kennen zu lernen, an die man sonst nie gekommen wäre – wer weiß, ob ich je nach Tettnang gekommen wäre...
Nun sind Sie ja nicht nur auf Konzertbühnen zu sehen, sondern hin und wieder auch im TV – unter anderem bei „Sing meinen Song“. Dort haben Sie auch Lieder von anderen Künstlern gesungen, während auf Ihren Alben nur selbstgeschriebene Stücke zu finden sind. Welche Rolle spielt der Einfluss von anderen Künstlern für Ihre Musik?
Schon eine große Rolle. Ich bin natürlich auch beeinflusst, ich habe früher viel Stevie Wonder, Sting, U2, aber auch viel deutschsprachige Musik wie Herbert Grönemeyer, Nena und Liedermacher wie Reinhard Mey gehört. Ich höre aber auch viel Popmusik und habe einen sehr breit gefächerten Musikgeschmack. Das beeinflusst natürlich auch meine Arbeit.
Sie sind früher mal als Andreas Stiegelmair aufgetreten. Wie wurde denn eigentlich aus Andreas Stiegelmair schließlich Andreas Bourani?
Das ist ganz einfach. Ich bin adoptiert und das ist der Name meiner Eltern. Eigentlich hab ich immer das Ziel gehabt, den Namen aus der Öffentlichkeit rauszuhalten, weil ich nicht möchte, dass meine Eltern in irgendeiner Form durch meinen Beruf eingeschränkt sind. Aber es hat nicht funktioniert... Bourani ist mein Geburtsname, den habe ich wieder angenommen.
Was darf auf einer Tour bei Ihnen auf keinen Fall fehlen – gibt es irgendwas, was immer dabei sein muss?
Ich hab immer meine Meditationsmatte dabei, weil ich morgens immer meditiere. Und meine Laufschuhe. Aber ich hänge nicht an so materialistischem Kram. Am wichtigsten sind mir eigentlich immer die Menschen, die ich dabei habe – meine Tourfamilie. Denn das ist eigentlich das Wertvollste, was man haben kann: eine gute Verbindung zu Freunden, Familie und den Leuten, mit denen man arbeitet. Das gibt einfach am meisten Energie – die anderen Sachen sind alle ersetzbar, aber die Menschen um einen herum halt nicht.