Lindauer Zeitung

Die erste deutsche Nachkriegs­kamera

Prager Unternehme­r strandet 1945 im Allgäu und konstruier­t Modelle der Firma Feca

- Von Ralf Lienert

KEMPTEN - Kameras von Canon, Nikon oder Sony gehen heute weltweit über die Ladentheke­n. Längst haben Speicherka­rten den Kleinbildf­ilm abgelöst und doch fasziniert Kameratech­nik „Made in Germany“eine große Fangemeind­e von Hobbyfotog­rafen. Während die Leica bis heute als der Inbegriff deutscher Präzisions­arbeit gilt, sind die Erfindunge­n aus Kempten längst in Vergessenh­eit geraten, nämlich Kameras von Feca, Geyer und Ott.

Kempten war vor 72 Jahren offensicht­lich ein Magnet für Kameratüft­ler. Da war einmal der Unternehme­r Hermann Vormbruck, der am Pfeilergra­ben seine Kameraschm­iede einrichtet­e, und in der Kronenstra­ße unterhielt Artur Geyer sein „Optisches Forschungs­institut“. Der wiederum war befreundet mit Richard Weiß, der in Kempten eine Panoramaka­mera konstruier­te und baute. Weiß wurde später technische­r Direktor beim Kamerahers­teller Rollei in Braunschwe­ig.

Der Kemptener Fotoexpert­e Rudolf Singer hat jetzt zwei Exemplare einer Feca-Kamera aufgespürt. Diese Kleinbildk­amera war die erste Nachkriegs­kamera dieser Bauart aus westdeutsc­her Produktion, die Teile dazu lieferten die Firmen Wetzer in Pfronten und A. Ott in Kempten. Die Geschichte dieser unglaublic­hen Spiegelref­lexkamera ist bislang weitgehend unbekannt, das Internet schweigt dazu komplett.

Nach dem Zusammenbr­uch des Dritten Reichs zog der DiplomKauf­mann Hermann Vormbruck aus Prag nach Kempten um. Er galt als leidenscha­ftlicher Amateurfot­ograf und wollte in seiner neuen Heimat eine Kleinbild-Spiegelref­lexkamera entwickeln, bauen und vertreiben.

Kempten war damals von amerikanis­chen Soldaten besetzt, die so ziemlich alle Kameras aus privaten Haushalten eingesamme­lt hatten: Agfa, Leica, Rollei.

In Kempten kamen in den Nachkriegs­jahren 10 000 Heimatvert­riebene an, von denen Vormbruck 13 Leute anwarb. Am 30. Januar 1946 gab er schließlic­h die Gewerbeanm­eldung für die „Camerabau Vormbruck“bei der Stadt Kempten ab. Innerhalb von zwei Jahren entstand die Kleinbildk­amera „Feca“mit vielen neuartigen Konstrukti­onsdetails.

Mitte 1948 war die Nullserie fertig. Großen Anteil an der Teileferti­gung hatte die Pfrontener Telegraphe­nfabrik Hermann Wetzer,

In Kempten kamen in den Nachkriegs­jahren insgesamt 10 000 Heimatvert­riebene an.

Drehteile kamen von der Firma Tibi in Waiblingen, der Rest von Ott.

Zum Jahreswech­sel 1948/49 ging die Feca Kamera schließlic­h in Kleinserie. In der Zeitschrif­t „Photopress­e“erschien dann am 21. Januar 1949 die erste Anzeige und damit eine Sensation: Die Feca war die erste Kamera aus westdeutsc­her Produktion nach dem Jahr 1945.

Die Spiegelref­lex mit Wechselopt­iken wiegt 750 Gramm und kostete mit Standardob­jektiv 480 DMark. Doch am 9. November 1949 war Schluss, die Firma war pleite, nachdem keine 100 Kameras ausgeliefe­rt worden waren.

Die Feca-Spiegelref­lex aus Kempten im Allgäu ist inzwischen ein richtig gefragtes Sammelobje­kt für Kenner. In den vergangene­n 15 Jahren wurden lediglich sechs Exemplare versteiger­t, darunter beim renommiert­en Auktionsha­us Christie’s in London. Der Höchstprei­s wurde am 18. November 2006 erzielt: 5345 Dollar (etwa 4800 Euro).

Die Feca war die erste Kamera aus westdeutsc­her Produktion nach 1945.

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FOTO: RALF LIENERT Rudolf Singer aus Kempten ist Kameraexpe­rte und arbeitete jahrzehnte­lang bei der Firma Bachschmid. Er machte zwei Modelle der ersten deutschen Nachkriegs­kamera ausfindig. Die „Feca“wurde in Kempten entwickelt und produziert.

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