16-Jährige kauft X-chen von Paul Klee
Die Schweizer Kunsthändlerin und -sammlerin Angela Rosengart berichtet im Cavazzen-Innenhof
LINDAU - Sie hat die meisten großen Künstler des vergangenen Jahrhunderts gekannt: Picasso, Chagall oder Matisse. Paul Klee hat sie zwar nicht persönlich kennengelernt, aber ihr erstes Bild stammte von dem Künstler, der gerade in Lindau zu sehen ist. Aus diesem Grund hat Angela Rosengart im Innenhof des Cavazzen bescheiden und humorvoll von großen Künstlern berichtet.
Trotz ihrer 85 Jahre ist Angela Rosengart auf den großen Kunstmessen und -auktionen, in London, New York und anderswo auf der Welt. Und daheim in Luzern hat sie mit ihrem Museum viel zu tun, sodass nur wenig Zeit bleibt. Umso mehr freut sich Kulturamtsleiter Alexander Warmbrunn, dass Rosengart als Leihgeberin von Anfang an die großen Ausstellungen im Lindauer Stadtmuseum unterstützt. Auch jetzt sind drei Bilder aus ihrem Kunsthandel in Lindau zu sehen.
Vor 50 Kunstfreunden hat Warmbrunn sich am Sonntagabend mit Rosengart unterhalten. Warmbrunn stellte sie als den „guten Engel unserer Ausstellungen“vor, weil sie nicht nur selbst Bilder ausleihe, sondern auch Türen zu anderen privaten Leihgebern öffne. Immerhin weiß sie, wem sie schon mal ein Bild von Picasso, Chagall oder Klee verkauft hat. Denn eigentlich hängen Kunstfreunde es nicht an die große Glocke, wenn bei ihnen ein Bild eines berühmten Malers im Wohnzimmer hängt.
Als 16-Jährige ist Angela Rosengart als Lehrmädchen in den Kunsthandel ihres Vaters eingetreten. Die Begegnungen mit interessanten Künstlern und interessierten Sammlern haben sie schnell begeistert. Deshalb ist sie bis zum Tod ihres Vaters 1985 im Geschäft geblieben, das sie danach übernommen hat und bis heute weiterführt. Das erste Bild hat sie 1948 erworben, es handelt sich um das sogenannte X-chen von Paul Klee, das ein Mädchen zeigt. Rosengart war im Entstehungsjahr 1938 sechs Jahre alt: „Das hätte ich sein können.“Deshalb wollte sie das Bild haben, das aber 230 Franken gekostet hätte, wo sie nur 50 Franken im Monat verdiente. Doch den Eigentümer begeisterte, dass sie bereit war, einen ganzen Monatslohn auszugeben und verkaufte.
So machte der 1940 verstorbene Paul Klee, den sie nie kennengelernt hat, den Anfang in ihrer Kunstsammlung, zu der inzwischen weitere Klees, Picassos und andere Werke gehören. 1992 hat sie diese in eine Stiftung überführt, dafür ein Gebäude gekauft, in dem diese in Luzern heute im Museum zu sehen sind. Warmbrunn versprach am Sonntag, das Kulturamt werde mit der Lindauer Zeitung eine Kulturfahrt nach Luzern organisieren, damit sich Kunstfreunde ein Bild dieser außergewöhnlichen Sammlung machen können.
Ihr Vater habe ein untrügliches Gespür für Qualität gehabt, erzählt Rosengart. „Die Rosengarts nehmen immer die besten Bilder“, habe Picasso gelobt. Die Künstler haben sein Urteil geschätzt. Als Kunsthändlerin hat Angela Rosengart alle wichtigen Künstler der Mitte des 20. Jahrhunderts persönlich kennengelernt. Mit Chagall war sie in Rom im Urlaub, Picasso hat sie oft besucht, Matisse durfte sie zuschauen, als dieser eine seiner Collagen angefertigt hat: „Es waren aufregende Momente.“
In manchen Fällen wurde aus dem beruflichen Kontakt eine persönliche Freundschaft. So hat Picasso sie fünfmal porträtiert. Dennoch war es jedes Mal schwierig, wenn sie ein Bild für ihren Handel wollten. Denn Picasso hat sich immer geziert, man durfte ihn nie direkt fragen, aber er habe nach einigem Nachdenken fast immer zugestimmt.
Als Alleinvertreter des Nachlasses von Paul Klee durften sich Rosengart über Jahre aus dem Nachlass immer wieder die schönsten Bilder aussuchen, um diese in den Verkauf zu bringen. Das war nach dem Krieg nicht einfach, denn Klee hatte sein deutsches Publikum verloren, und in der Schweiz zog er nicht so recht. Deshalb kauften vor allem Amerikaner dessen Werke. Es dauerte etwa zehn Jahre, bis er wieder den Ruf als herausragender Künstler hatte, der bis heute blieb.
Chagall leiht zwei Kleee-Bilder nach Lindau aus
Welche Blüten der Kunsthandel mit astronomischen Preisen heute treibt, darüber schüttelt Rosengart den Kopf. Denn heute könnte sie sich ihre eigenen Bilder nicht mehr leisten. Leider könnten es sich manche Kunstfreunde deshalb nicht leisten, sich mit Kunst zu umgeben.
Eine besondere Anekdote erzählt Angela Rosengart noch zu einem Klee-Bild, das im Lindauer Museum zu sehen ist. Denn Ida Chagall, die Tochter Marc Chagalls habe sich bei einem Besuch in der Rosengartschen Galerie in die „Drei auf Wanderschaft“verliebt. Als sie kurz darauf geheiratet habe, habe sie dieses Bild als Hochzeitsgeschenk erhalten. Nun sieht Rosengart das Bild in Lindau wieder, denn für die ChagallAusstellung hat sie vor einigen Jahren Kontakt zur Familie Chagall hergestellt. und dieser Kontakt hält bis heute: Denn die Familie Chagall hat gleich zwei Klee-Bilder für die Lindauer Ausstellung ausgeliehen.