Historischer Drahtseilakt in Kempten
Die St.-Mang-Kirche hat neue Glocken, die die Jahrhunderte alten Exemplare entlasten sollen
KEMPTEN - „Das ist ein historisches Ereignis“, sagt Pfarrer Hartmut Lauterbach und beobachtet die „Semper Reformanda“, wie sie gut 50 Meter über ihm in der Luft schwebt. Sie ist mit 506 Kilogramm die kleinste der drei Glocken, die am Dienstag mit einem Autokran in den Turm der evangelischen St.-Mang-Kirche in Kempten gehievt wurden. Für die Gemeinde ist das ein großer Tag, schließlich sollen die neuen Glocken mehrere Jahrhunderte halten. Um sie nach oben zu bringen, musste eigens das Schallfenster auf der Südseite des Turms erweitert werden.
Schon seit mehr als 600 Jahren tut die älteste Glocke im Geläut der gotischen Kirche ihren Dienst. Spurlos ging das nicht an ihr vorüber. Um sie und das übrige historische Geläut der Kirche zu schonen und zu erhalten, ließ die Gemeinde drei neue Glocken aus Bronze gießen. Die größte wiegt 1134 Kilogramm und trägt den Namen „Concordia Mundi“– Eintracht der Welt. Auf ihr sind Kinderzeichnungen zu sehen, die Schüler der Grundschule an der Sutt zum Thema Frieden malten.
Nacheinander werden die Glocken an den Haken des Krans gehängt und nach oben gebracht. Dafür musste das Maßwerk auf der Südseite des Turms ausgebaut werden, andernfalls hätten die Glocken nicht durch die Öffnung gepasst. Auch der historische Glockenstuhl wurde bei der Sanierung für fünf Glocken verstärkt, erklärt Architekt Matthias Weber.
Präzisionsarbeit ist das Einschwenken und Aufbauen dennoch: „Das ist eine knifflige Angelegenheit“, sagt Glockenbauer Peter Lorenz aus Augsburg. Zwei Wochen Arbeit brauche es noch, bis die Glocken fest verankert sind. Lorenz ist es auch, der jede Glocke vor ihrem „Flug“nach oben dreimal mit dem Hammer anschlägt – das ist so Tradition. Richtig läuten werden die „Neuen“erstmals am Reformationstag, dem 31. Oktober, um genau 15.17 Uhr – in Anlehnung ans Reformationsjahr 1517. Bevor die drei neuen Glocken in den Turm gebracht werden können, muss eine alte ihren Platz Räumen: Die Friedensglocke „Pax“aus dem Jahr 1948 hat ausgedient, ihr Klang passe nicht zu den Bronzeglocken. Sie wird fortan als Friedensdenkmal auf dem St.-MangPlatz stehen.
Alles in allem fallen Kosten in Höhe von 235 000 Euro an. Geplant waren nur 170 000 Euro. Nach Rücksprache mit dem Glockensachverständigen fielen die Glocken schwerer aus als gedacht. So ist der Klang satter und passt besser zu den historischen Glocken. Finanziert wird das Projekt hauptsächlich durch Spenden. Lauterbach ist zuversichtlich, dass das nötige Geld zusammenkommt.