Ambulante Pflege auf dem Land nicht wirtschaftlich
Umbau des Pflegeheims und Neubau eines Kindergartens würde 2,7 Millionen Euro kosten
ACHBERG (olwi) - Der Entscheidung des Gemeinderates über den Widerspruch des Bürgermeisters gingen ausführliche Erläuterungen der Situation durch Kämmerin Tanja Ruh und Dr. Klaus Schliz voraus. Schliz ist Betreiber eines ambulanten Pflegedienstes in Wangen und ein möglicher Partner der Kommune beim Betrieb einer ambulant betreuten Senioren-Wohngemeinschaft.
Die Kämmerin hatte eine grobe Kalkulation aufgestellt, mit welchen Kosten die Gemeinde beim Umbau des Pflegeheimes entsprechend der Landesheimbau-Verordnung zu rechnen habe.
Einzelzimmer plus Sanitäreinrichtungen notwendig
Die Verordnung schreibt unter anderem Einzelzimmer, jeweils zugeordnete Sanitäreinrichtungen und eine Mindest-Zimmergrößte vor. Ein solcher Umbau würde rund eine halbe Million Euro kosten. Allerdings wären dann nur noch 12 bis 14 Betten vorhanden und das Heim nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Es müsste ein Anbau erfolgen für weitere 12 bis 14 Betten. Hierfür müsste die Kommune rund 1,5 Millionen Euro ausgeben. Dann bliebe aber kein Platz für die Unterbringung einer weiteren Kindergarten-Gruppe in dem Gebäude, wie dies zuletzt diskutiert wurde. Ein Kindergarten-Neubau würde 700000 Euro kosten. Somit würden sich die Ausgaben auf rund 2,7 Millionen Euro summieren. Bei einer Laufzeit von 25 Jahren müsste die Gemeinde jährlich rund 100 000 Euro ausgeben.
Entsprechende Einnahmen durch die Verpachtung des Hauses zu erzielen sei „nahezu unmöglich“, so Ruh. Die Kosten für den Umbau des Hauses zu einer Senioren-WG schätzt Ruh hingegen auf 200000 Euro. Für den Einbau des Kindergartens im Erdgeschoss wären weitere 125000 Euro fällig. Die jährliche Belastung für die Gemeinde schätzt sie auf 12500 Euro.
Dr. Klaus Schliz machte vor allem auf die besondere Situation von Achberg aufmerksam. Der Ort sei zersplittert und verfüge über keine bedeutende Infrastruktur. Für ambulante Dienste sei das höchst unattraktiv. Die Pflege von Angehörigen im eigenen Haus mit Unterstützung eines Pflegedienstes sei somit langfristig nicht gesichert. Denn: „In wenigen Jahren fehlen bundesweit bis zu eine halbe Million Pflegekräfte.“In Ballungsräumen sei eine ambulante Pflege dann noch möglich, in ländlichen Gebieten wie Achberg jedoch unwahrscheinlich. Konzentrieren sich zu pflegende Personen aber beispielsweise in einer Wohngemeinschaft, sei die Wahrscheinlichkeit größer, da die Pflege wirtschaftlich sei.
Eine Senioren-WG dürfe nicht mit einer Studenten-WG verglichen werden, so Schliz. Der Grundgedanke sei das Zusammenleben von Bewohnern in unterschiedlicher Situation. So sei denkbar, dass einzelne Bewohner noch Tätigkeiten wie das Reinigen ihrer Zimmer oder Einkäufe erledigen. Eine Präsenzkraft erledige gemeinsame Aufgaben und unterstütze die Bewohner. Die Präsenzkraft sei aber keine Pflegekraft. Mit einer möglichen Senioren-Wohngemeinschaft betrete die Gemeinde Achberg Neuland, stellte der bisherige Pächter des Pflegeheims, Kurt Hofmann, fest.
In Baden-Württemberg gibt es nach seinen Informationen 56 Senioren-Wohngemeinschaften, keine davon im Kreis Ravensburg.