„Wir können nicht 200 Notrufe gleichzeitig bearbeiten“
Feuerwehrkommandant Louis Laurösch über Wartezeiten in der Unwetternacht und den Ausfall des Notrufs „112“
FRIEDRICHSHAFEN - Das Unwetter vom Samstag hat Feuerwehr und Rettungsleitstelle in Friedrichshafen an die eigenen Kapazitätsgrenzen gebracht. Mehr als 340 Einsätze mussten in einer Nacht koordiniert werden. Die Folge: Menschen mit Wasser im Haus mussten teilweise lange auf die Feuerwehr warten - und auch der Notruf „112“war zeitweise nicht erreichbar. Feuerwehrkommandant Louis Laurösch erklärt im Gespräch mit Hagen Schönherr, wie die Feuerwehr die Einsätze koordiniert hat und was Bürger beim Ausfall der „112“tun können.
Herr Laurösch, Menschen aus Friedrichshafen sagen, dass sie von der Rettungsleitstelle am Samstag oft vertröstet wurden: Andere Einsätze gingen vor. Nach welchen Kriterien wurden in der Nacht zum Sonntag ihre Mannschaften eingesetzt?
Wir hatten in dieser Nacht eine sehr große Anzahl von Notrufen aus dem ganzen Bodenseekreis. Und wir können leider nicht 300 Einsätze gleichzeitig abarbeiten. Das ist nicht gewollt, es ist aber so. Deshalb haben wir alle Notrufe im Zusammenhang mit Hochwasser am Samstagabend nach einem speziellen Schema abgefragt und einsortiert. Die Betroffenen wurden gefragt: In welchen Räumen im Haus steht das Wasser, wie hoch und was ist genau betroffen? Da macht es dann einen Unterschied ob das Wasser im Heizungskeller steht und eventuell aus einem Öltank Öl austreten kann, ob es in eine Tiefgarage mit Autos eindringt – oder ob es nur fünf Zentimeter hoch in einen leeren Kellerraum fließt. Anhand dieser und weiterer Kriterien erstellen wir dann Prioritäten der Einsatzaufträge für unsere Fahrzeuge. Die konnten am Samstag auch mal lauten: In Ailingen laufen die Keller in einer ganzen Straße voll. Arbeitet bitte einen nach dem anderen ab.
Wie viele Feuerwehrleute waren im Einsatz?
180 Feuerwehrleute und 40 Fahrzeuge waren allein in Friedrichshafen unterwegs. Wir haben Hilfe aus etlichen Umlandgemeinden angefordert, bis nach Salem. Aber irgendwann geht nicht einfach noch mehr. Sie müssen wissen: Das Auspumpen eines einzigen Kellers dauert zwischen 30 Minuten und 3 Stunden. Dann haben wir Hunderte solcher Notrufe und zwischendrin müssen die Rettungsleitstellen noch ganz normale Notrufe - zum Beispiel einen Herzinfarkt abarbeiten. Wenn wir so ein Extrem erleben wie am Samstag können wir das nicht sofort beherrschen.
Leser haben uns geschildert, dass am Samstag zeitweise der Notruf „112“nicht erreichbar war. Kann das sein?
Es gibt in der Rettungsleitstelle Bodensee sehr viele Telefonleitungen. Aber nicht für 200 Anrufe gleichzeitig. Dazu kommt: Die integrierte Rettungsleitstelle im Landratsamt Bodenseekreis hatte selber einen Wassereinbruch und auch der Einsatzleitrechner ist deshalb kurzzeitig ausgefallen. Trotzdem hatten wir am Ende der Nacht jeden einzelnen Notruf abgearbeitet.
Was kann ich tun, wenn die „112“nicht funktioniert – und ich einen gravierenden Notfall habe, zum Beispiel einen Notarzt brauche?
In diesem Fall – und das kommt wirklich extrem selten vor – empfehlen wir, es zunächst unter der „110“zu versuchen. Da erreichen Sie aus Friedrichshafen die Leitstelle der Polizei in Konstanz, die ebenso Notärzte und Feuerwehr alarmieren kann. Viele Menschen haben auch die ganz normale Telefonnummer der Feuerwehr Friedrichshafen gewählt, das hat funktioniert. In vielen Umlandgemeinden kann es auch funktionieren, die örtlichen Polizeireviere anzurufen. Die stehen ganz normal im Telefonbuch. Eins ist sicher: Wenn es einen wirklichen Notfall gibt, wird ihnen auch dort geholfen.