Lindauer Zeitung

Christophe­r Street Day in München: Fest und Fingerzeig

Tausende Schwule und Lesben ziehen durch die Stadt – Ein buntes Fest, aber nicht, ohne die Politik zu vergessen

- Von Sophie Rohrmeier

MÜNCHEN (lby) - Ein Fest für alle, wegen der Ehe für alle. Dragqueens in Pailletten­kleidern, nackte Hintern, laute Techno-Musik und Regenbogen­fahnen. Der Christophe­r Street Day (CSD) ist in deutschen Städten traditione­ll eine große Party, auch am Samstag in München. Dabei wird oft übersehen, dass der Zug immer auch eine Demo ist, die Party auch eine Politparad­e. Auch jetzt, da ein paar Kämpfe schon gewonnen sind.

„Ausgekämpf­t wird es noch lange nicht sein“, sagt Patrick Slapal. „Erst, wenn alle begriffen haben, dass wir gleich sind.“Dafür muss der 29-Jährige vielleicht ein bisschen mehr Geduld aufbringen als manch andere in Bayern. Denn er ist CSU-Mitglied. Anfang Juni hat er den bayerische­n Landesverb­and der LSU gegründet, der Lesben und Schwulen in der Union. Slapal hat prominente Unterstütz­er wie den Chef des Bundes der Vertrieben­en, Bernd Fabritius. Aber bei Weitem nicht alle in der CSU haben sich Ende Juni so gefreut wie er.

Als die Parlamenta­rier im Bundestag in ihrer letzten Sitzung dieser Legislatur­periode für die Öffnung der Ehe, für die „Ehe für alle“stimmten, meldeten sich sogleich einige konservati­ve Unionspoli­tiker. Sie wollen eine Verfassung­sklage gegen das Gesetz einreichen. Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) prüft sie gerade. Wie ist es also mit der großen Feier, als CSUKämpfer für Lesben- und Schwulenre­chte? „Ich bin vorbereite­t“, sagt Slapal und grinst. Er zieht einen Brief aus der Innentasch­e seiner Lederjacke. Von Seehofer. Slapal hatte ihn eingeladen zum CSD, der Ministerpr­äsident schreibt, er könne nicht kommen. Und: Ihm als Parteivors­itzenden läge der Kampf gegen die Diskrimini­erung einzelner Bevölkerun­gsteile am Herzen. „Für die auf diesem Gebiet geleistete Arbeit danke ich Ihnen und der LSU.“

Ganz können diese Worte trotzdem nicht darüber hinwegtäus­chen, dass etwa Kardinal Reinhard Marx sich von der Staatsregi­erung eine Klage gegen die „Ehe für alle“wünscht – und weiß, dass er damit einigen konservati­ven Katholiken aus der CSU aus dem Herzen spricht. „Es gibt viele in der Partei, die da der Kirche sehr zugeneigt sind“, sagt auch Slapal. „Die brauchen länger.“

Bis dahin feiern mehrere Tausend Teilnehmer in München auf dem CSD, dass sie gesellscha­ftlich und politisch schon einiges erreicht haben. Seit 1980 zeigen auch in München Menschen beim CSD Flagge für die Gleichbere­chtigung von Schwulen, Lesben und Transsexue­llen. Der überschaub­are Demonstrat­ionszug der Anfangsjah­re hat sich zu einer Großverans­taltung entwickelt. Fast 120 Gruppen beteiligen sich heuer.

Die Fantasie- und Fetisch-Kostüme gehören auch dazu, sie ziehen die Aufmerksam­keit auf sich. Die Veranstalt­er schätzen, dass rund 165 000 Menschen am Straßenran­d stehen. Und mit einer friedliche­n Veranstalt­ung. „Trotz des Mottos“, sagt CSDSpreche­rin Rita Braatz. „Gleiche Rechte. Gegen Rechts“, heißt es. Nach ersten Polizeiang­aben gibt es rund um die Parade aber keinerlei Vorfälle in Zusammenha­ng mit Anhängern rechter Gruppen. Wie in den Jahren zuvor ist es eine friedliche Veranstalt­ung.

Sorgen über Zulauf bei Rechten

„Lasst euch nicht von irgendwelc­hen Rechten oder Homo-Hassern provoziere­n“, ruft Thomas Niederbühl, politische­r Sprecher des CSD München, dennoch über den Marienplat­z bei der Eröffnung von der Bühne. Auch das ist einer der Kämpfe, den die Community noch vor sich sieht. Der Zulauf zu rechten Parteien und Organisati­onen macht ihnen Sorgen und die dort herrschend­e Diskrimini­erung ihrer Mitglieder.

Ausgefocht­en ist aus Sicht von CSD-Sprecherin Braatz auch die Debatte um die Asylpoliti­k noch nicht. Abschiebun­gen von Lesben und Schwulen in Länder, in denen ihnen Verfolgung droht, müssten aufhören, sagt sie. „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“, steht ein paar Meter von ihr entfernt auf einem großen Transparen­t am Münchner Rathaustur­m, es zitiert die Allgemeine Erklärung der Menschenre­chte. Ein Plakat hoch oben über der Party, zur Feier und Mahnung zugleich.

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FOTO: DPA Schrill: In einem Kostüm mit Badeenten zelebriert dieser Mann den Christophe­r Street Day in München.

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