Die reine Freude
Leidenschaft für die Kammermusik ist bei der Schubertiade in Hohenems zu spüren
HOHENEMS - Für ein langes Wochenende kamen die Freunde der Kammermusik noch einmal zu Schubertiadekonzerten im Markus-Sittikus-Saal zusammen: Den Anfang machte am Donnerstag der französische Pianist David Fray mit einem Chopin und Schubert gewidmeten Programm.
Fray, der Franzose aus den Pyrenäen mit mütterlicherseits slawischen Wurzeln, wirkt am Flügel sehr verschlossen. Er bevorzugt einen Stuhl mit Lehne und lässt allein die Kraft seiner Finger, Handgelenke und Unterarme wirken. Minimaler Oberkörpereinsatz oder Mimik begleiten sein Spiel. Doch der Klang des Flügels unter seinen Händen, seine Anschlagskultur und –vielfalt, seine Kunst, eine Melodie zum Singen zu bringen und in eine sacht wogende Begleitung einzubetten, sind bezaubernd und höchst facettenreich. In den kleinen Formen bei Chopin, wo er sich als Meister des Rubato zeigt, ebenso wie in der groß angelegten vorletzten Sonate von Schubert mit ihren Abgründen im langsamen Satz und den weiten Melodiebögen.
Am Freitag vermittelten drei herausragende Solisten – die Geigerin Julia Fischer, der Cellist Daniel Müller-Schott und der Pianist Herbert Schuch – mit den herrlichen Melodien von Beethovens Erzherzog-Trio op. 97 und dem einzigen Klaviertrio von Peter Tschaikowsky, wie die Liebe zur Kammermusik rauschhafte und mitreißende Erlebnisse bringt. Tschaikowsky schuf in respektvoller Erinnerung an den großen Kollegen Nikolai Rubinstein ein Trio, das mit seinen überschwänglich romantischen Themen und dem ausgedehnten Variationensatz sinfonische Ausmaße hat. Die Künstler begaben sich voll und ganz hinein in die aufwühlenden Emotionen dieses Werks, das in einem Trauermarsch verlischt.
Bekanntes frisch aufpoliert
Am Abend gab dann das erweiterte und an der Bratsche krankheitshalber umbesetzte französische Quatuor Ebène das erste von drei Konzerten an diesem Wochenende. Eng verbunden sind die vier Franzosen mit der japanischen Pianistin Akiko Yamamoto, die das Konzert mit den facettenreich gestalteten „Waldszenen“von Robert Schumann eröffnete. „Französischer Brahms“wird Gabriel Fauré gerne genannt aufgrund seiner hochromantischen Tonsprache, die vor allem im ersten und im letzten Satz seines ersten Klavierquartetts zum Ausdruck kommt. Zur Pianistin gesellten sich hier Pierre Colombet, der erste Geiger des Quatuor Ebène, und dessen Cellist Raphaël Merlin, an der Bratsche fügte sich klangschön die Japanerin Tomoko Akasaka ein. Hohe Energie und Spielfreude prägten das Quartett des Franzosen ebenso wie Tragik im langsamen Satz. Bei Schuberts Forellenquintett übernahm schließlich Gabriel Le Magadure den Geigenpart, die Kontrabassistin Laurène Durantel bildete nicht nur mit dem Cellisten eine verschworene Gemeinschaft: Mit ihrem riesigen Bass und dem Bogen scheint sie eins zu sein und zieht fast alle Aufmerksamkeit auf sich. Das beliebte Schubertwerk klang so frisch aufpoliert, so spannend und hellwach musiziert, dass es eine reine Freude war.