Vorteil Müller
Der neue Rivale James Rodriguez scheint den Nationalspieler eher zu beflügeln
M’GLADBACH (dpa/SID/sz) - Alle Augen fokussierten sich am Samstag in Mönchengladbach auf James Rodríguez. Die neueste Erwerbung des FC Bayern München ist ja gleichzeitig auch die neue Attraktion der Liga. Doch auf dem Platz spielte beim Telekom-Cup, einem der größeren Vorbereitungsturniere Deutschlands, ein anderer die Hauptrolle: Thomas Müller.
Beim souveränen Gewinn des Vorbereitungsturniers war Müller „einfach der Beste“, wie Trainer Carlo Ancelotti anerkennd anmerkte. Zumindest in diesen ersten gemeinsamen Tagen scheint Müller nicht verunsichert durch den neuen Mitbewerber um einen Platz in der Münchner Super-Offensive. Der von Real Madrid gekommene James konkurriert mit dem Nationalspieler schließlich sowohl um den Platz direkt hinter der nominell gesetzten Sturmspitze Robert Lewandowski, sondern auch um einen Platz auf den Flügeln oder offensiven Halbfeldpositionen.
Für Müller dürfte es durch James’ Verpflichtung noch schwerer werden, so der Tenor letzte Woche. Am Samstag erspielte sich aber erst einmal der Arrivierte einen kleinen Vorteil. Im Finale gegen Werder Bremen erzielte Müller mit einem feinen Distanzschuss das 1:0 und legte Juan Bernat mit der Hacke wunderbar das Tor zum 2:0-Endstand auf. Nur ein verschossener Elfmeter trübte den starken Auftritt. Aber das hakte Müller als verkraftbare „Nebengeschichte“ab. „Ich schaue nicht, dass ich mehr glänze als meine Mitspieler. Das ist nicht mein Ansinnen“, sagte Müller zum Konkurrenzkampf, den er nach sechs Wochen Urlaub motiviert annimmt: „Das wird eine interessante Geschichte.“
James hatte im Borussia-Park ebenso wie der 41,5-Millionen-Zugang Corentin Tolisso ein eher unauffälliges Debüt gegeben. Doch das trübte die Freude nicht. „Ich bin erst vier Tage hier, aber ich bin sehr zufrieden mit dem Auftakt“, sagte James, der zunächst für zwei Jahre von Real ausgeliehen wurde. Auch wenn der Torschützenkönig der WM 2014 auf Anhieb nicht die ganz großen Szenen hatte, seine Qualitäten, darunter vor allem seine überragende Übersicht und Technik, deutete er an. Und er erntete ein erstes Lob der Kollegen. „Man sieht, dass James schon direkt die Kombinationen sucht, einen super linken Fuß hat und auch das Auge für den Mitspieler“, so Müller, den dies aber nicht weiter wunderte. „Fußball ist auf allen Kontinenten recht identisch. Da gibt es keine Schwierigkeiten“, sagte er.
James, der 26 Jahre alte Wunschspieler von Trainer Carlo Ancelotti kam im Finale auf der rechten Seite zum Einsatz, wo eigentlich der derzeit verletzte Arjen Robben spielt. „Ich denke, wir haben einen fantastischen Spieler mehr“, sagte Ancelotti über James. Angst, dass dem Kolumbianer der Rummel um seine Person zu Kopf steigen könnte, hat Ancelotti nicht: „Er ist ein sehr demütiger Mensch und weiß, wie er damit umzugehen hat.“
Hoeneß schon begeistert
Im Halbfinale hatte Torjäger Robert Lewandowski mit einem herrlichen Seitfallzieher für das 1:0 gegen Hoffenheim gesorgt. Tribünengast Uli Hoeneß strahlte. „Das war beeindruckend, wie engagiert die Mannschaft trotz der frühen Saisonphase gespielt und den Zuschauern fantastische Unterhaltung geboten hat.“Die Kaderauffrischung zeige Wirkung, so Hoeneß: „Das motiviert jeden, dem Trainer zu zeigen, dass man spielen will. Spielfreude, Engagement, das hat mir sehr gut gefallen.“Auch Müller resümierte am Ende ein wenig erstaunt: „Wir waren drückend überlegen, das konnte man so nicht erwarten.“
Weiter geht's für den FC Bayern nun in Asien. Gestern abend machte sich der Tross auf den Weg nach China. 30 Flugstunden, zwei Länder und vier Spiele in drei Städten gegen hochkarätige Gegner (Chelsea, Arsenal, Milan und Inter Mailand) stehen auf dem Programm der kombinierten Marketing- und Trainingsreise. Etliche Asse wie Manuel Neuer, Jérôme Boateng oder Robben fehlen zwar auf dem Zwölf-Tages-Trip. Ancelotti möchte die Zeit aber nutzen, die Neuen, allen voran James, ins Spiel und das Team zu integrieren. „Wir werden in China verschiedene Positionen mit ihm ausprobieren“, kündigte er an. James freut sich auf die Asien-Strapazen. „Ich habe nun zehn Tage Zeit, mich zu verbessern und in das System des Trainers einzubringen. Wo ich dann spiele, wird man sehen.“Das ist die spannende Frage: Wo bringt Ancelotti die vielen Stars unter?