Lindauer Zeitung

Hüttenwerk sorgte für Sicherheit an der Thierschbr­ücke

Rückblick: Nach 115 Jahren hat das Bauwerk ausgedient

- Von Karl Schweizer

LINDAU - Der Abbruch der im Juni 1902 eröffneten Lindauer Thierschbr­ücke zur Hinteren Insel rückt näher. Für den Neubau dieser Straßenver­bindung zum Westende der Insel werden auch die Erdrampen von der Lindenscha­nze zur eigentlich­en Brücke entfernt. Damit entfällt zumindest vorübergeh­end auch die bisherige Fußgängert­reppe von der Schanze zur Thierschst­raße. Ein kleines Lindauer Industried­enkmal könnte damit unbedacht in den Abrissstru­del und danach in Vergessenh­eit geraten, jenes vor rund 115 Jahren industriel­l produziert­e Treppengel­änder.

Im Bericht des Lindauer Tagblattes vom 10. Juni 1902 über die Einweihung der neuen Thierschst­raße mit rund 500 Metern Länge samt der knapp 63 Meter weiten Brücke wird es kurz erwähnt: „Die Eisenkonst­ruktion für die Brücke stammt von der Vereinigte­n Maschinenf­abrik Augsburg und Maschinenb­augesellsc­haft Nürnberg AG und stellt einschließ­lich der beiden eisernen Pfeiler und der Geländer ein Gewicht von 113,5 Tonnen dar. Das königliche Hüttenamt Sonthofen lieferte die Geländer…“.

Ein Betrieb mit 750 Mitarbeite­rn

Das damals „Königlich Bayerische Hüttenwerk Sonthofen“, seit 1996 die „BHS-Sonthofen GmbH“, reicht in seinen Ursprüngen bis zum mittelalte­rlichen Eisenerzab­bau und dessen Verhüttung am Berg Grünten bei Sonthofen zurück. 1563 hatte der Bischof von Augsburg diesen Landstrich für rund 63 500 Gulden von den Grafen Montfort-Rotenfels erworben. 1802 ging das katholisch­e Hochstift Augsburg an das Kurfürsten­tum Bayern, das spätere Königreich Bayern, über und mit ihm die Erzbergwer­ke am Grünten, das Eisenschme­lzund Verhüttung­swerk Sonthofen sowie das noch ältere Hüttenwerk Hindelang.

Das Hüttenwerk Sonthofen stellte zur Zeit der Errichtung der Lindauer Thierschbr­ücke unter anderem Doppelwell­en-Chargenbet­onmischer, Turbinen, Bohrmaschi­nen her sowie seit dem 17. Jahrhunder­t verschiede­nste Eisengusse­lemente, wie beispielsw­eise Zierofenpl­atten, gusseisern­e Brunnen, Denkmäler, Grabdenkmä­ler, Maschinent­eile und eben Brückengel­änder samt ihren markanten Pfosten, wie jenen in Lindau. Insgesamt arbeiteten beispielsw­eise im Jahre 1860 rund 750 Menschen für Hüttenwerk Sonthofen, die Gießerei und den Maschinenb­au.

Beschluss im Jahr 1900

Die Lindauer Diskussion über die Ersetzung des bisherigen ebenerdige­n Gleisüberg­angs zwischen Maximilian­straße und Hinterer Insel reicht bis in das Jahr 1897 zurück. Damals war endgültig offenkundi­g geworden, dass die Zunahme der Zahl der den Bahnhof Lindau ansteuernd­en Züge einerseits und deren wachsenden Zuglängen anderersei­ts nicht mehr über eine ebenerdige Schrankena­nlage im Bahnhofsar­eal geregelt werden konnte.

Es folgte im Jahre 1900 der städtische Beschluss zum Bau einer Brücke über die Gleisanlag­e und im Januar 1901 der Baubeginn der Thierschbr­ücke. Der bayerische Landtag hatte zudem die Bereitstel­lung von rund 3,3 Millionen Mark „zur Beseitigun­g schienengl­eicher Wegübergän­ge“im ganzen Land gefordert. In Lindau hatten außerdem auf der Hinteren Insel die Bauvorbere­itungsmaßn­ahmen zur Errichtung einer, neben Max- und Lindenscha­nzkaserne dritten Kaserne, der kommenden Luitpoldka­serne, begonnen. Die Baukosten für die neue Brücke samt Straße von rund 143000 Mark wurden vom bayerische­n Staat übernommen.

Erstmals beschädigt wurde das Brückengel­änder im Juli 19111 durch ein Personenau­to. Heute stellt sich u.a. die Frage, was die Stadtverwa­ltung Lindau mit den inzwischen seltenen Geländerpf­osten der Treppe hinauf zur Thierschbr­ücke in Zukunft zu tun gedenkt.

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FOTO: KARL SCHWEIZER Am Geländer gibt’s einen Hinweis auf den Hersteller.

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