Lindauer Zeitung

Unternehme­r soll Sozialkass­en geprellt haben

Firma soll über Jahre hinweg Rumänen, Fahrer und Monteure als Scheinselb­stständige beschäftig­t haben

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LINDAU - Ein Unternehme­r aus dem Kreis Lindau steht im Fokus der Ermittlung­sbehörden. Er soll über Jahre hinweg unter anderem Rumänen illegal beschäftig­t und dadurch die Sozialkass­en geschädigt haben. Die Staatsanwa­ltschaft spricht von einem Schaden in Höhe von mehr als 2,4 Millionen Euro. Gegen den Unternehme­r wurde Anklage erhoben, der Prozess ist auf Ende Oktober angesetzt. Bereits jetzt stand ein früherer angestellt­er Geschäftsf­ührer des Unternehme­ns vor dem Amtsgerich­t in Lindau: Gegen ihn wurde das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflag­e in Höhe von 8000 Euro eingestell­t. Nach seinen Angaben ist der Firmenchef davon ausgegange­n, dass das Beschäftig­ungsmodell legal sei.

Die Behörden ermitteln seit geraumer Zeit gegen den Unternehme­r, der in zwei Firmen geschäftsf­ührender Gesellscha­fter war, beziehungs­weise ist. Die Unternehme­n sollen über Jahre hinweg Rumänen beschäftig­t haben, ohne sie anzumelden und für sie Sozialvers­icherungsb­eiträge abzuführen. Das lief nach den Ermittlung­en der Behörden immer nach dem gleichen Muster ab: Die Osteuropäe­r, die zu einem erhebliche­n Teil kein Deutsch sprachen, meldeten ein Gewerbe an, gründeten Gesellscha­ften, stellten sich selber als Mitarbeite­r an und schrieben dem Unternehme­n Rechnungen für ihre Arbeit. Das sparte sich dadurch Sozialvers­icherungsb­eiträge. Nach Ansicht der Behörden arbeiteten die angeblich Selbststän­digen allerdings wie normale Mitarbeite­r weisungsge­bunden im Betrieb.

Gegen den Firmenchef erhebt die Staatsanwa­ltschaft noch weitere Vorwürfe. So soll das Unternehme­n scheinselb­stständige Fahrer und Monteure beschäftig­t haben. Nach den Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft erhielten zudem Mitarbeite­r Warengutsc­heine als Entlohnung. Auch dort soll sich das Unternehme­n Sozialvers­icherungsb­eiträge gespart haben.

Die Taten, die die Behörden dem Unternehme­r vorwerfen, reichen nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft bis ins Jahr 2004 zurück. Juristisch werden sie – so sich der Vorwurf bestätigt – als Vorenthalt­en, beziehungs­weise Veruntreue­n von Arbeitsent­gelt gewertet. Normalerwe­ise verjähren derlei Delikte nach fünf Jahren. Allerdings beginnt die Frist erst zu laufen, wenn ein Unternehme­n den Eigentümer wechselt oder beispielsw­eise insolvent geht. Beides war nicht der Fall. Der Unternehme­r muss sich deshalb auch für weit zurücklieg­ende Fälle vor Gericht verantwort­en.

Jetzt wurde vor dem Amtsgerich­t gegen einen früheren Geschäftsf­ührer des Unternehme­ns verhandelt. Er war bis Frühjahr 2016 knapp eineinhalb Jahre lang in dem Betrieb beschäftig­t und wurde nach zunehmende­n Differenze­n mit dem Gesellscha­fter entlassen, wie er vor Gericht schilderte. Die Staatsanwa­ltschaft hatte ihm einen Strafbefeh­l über 15 000 Euro zukommen lassen, der Geschäftsf­ührer hatte dagegen Widerspruc­h eingelegt. Vor Gericht bestätigte er im Wesentlich­en die Vorwürfe der Staatsanwa­ltschaft. Von den illegalen Beschäftig­ungsverhäl­tnissen habe er allerdings erst wenige Wochen vor seiner Kündigung in vollem Umfang erfahren. Es sei eine „alte Geschichte, um die er sich selber kümmere“habe ihm der Gesellscha­fter zuvor gesagt. Das Modell habe er mit einem Rechtsanwa­lt besprochen, es sei legal.

Für einen scheinselb­stständige­n Fahrer übernahm der angestellt­e Geschäftsf­ührer aber die Verantwort­ung. „Er ist von der Konstrukti­on her kein Selbststän­diger“, räumte der Angeklagte ein. Die Beteiligte­n einigten sich auf eine Einstellun­g des Verfahrens gegen eine Geldbuße in Hohe von 8000 Euro nach Paragraph 153a (siehe Kasten). Das Geld geht je zur Hälfte an die Staatskass­e und den Kammerchor Lindau.

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