Fruchtbare Handarbeit
360-Grad-Reportage macht Halt in Nonnenhorn bei einem der ältesten Weintorkel in der Bodenseeregion
NONNENHORN - Von wegen: „Früher war alles besser.“„Das war furchtbare Handarbeit“, erinnert sich Ulrich Höscheler an das Weinpressen. Dennoch erzählt er gerne vom Weintorkel in der Conrad-Forster-Straße in Nonnenhorn. Denn noch bis 1958 hat der heute 84-Jährige zusammen mit seinem Vater mit einem der ältesten Torkel in der Bodenseeregion Trauben gepresst. „Jetzt gibt es dafür wunderbare Maschinen“, sagt der Winzer.
Zusammen mit den Familien Hener, Joos, Kaeß und Martin teilte sich die Familie Höscheler bis zuletzt den Torkel, der Ende der 1960er-Jahre dann aber doch in den Ruhestand ging. Die Ernteausbeute sei damals wegen eines Frosts zudem nicht wirklich attraktiv gewesen, erzählt Höscheler. Allerdings wäre der Torkel auch noch heute funktionsfähig – obwohl das Holz bereits mehr als 400 Jahre auf dem Buckel hat. In den Spindel ist das Entstehungsjahr eingraviert: 1591. Seit 1978 steht der Torkel unter Denkmalschutz. Zum 400. Geburtstag schenkten die fünf Familien den Torkel der Gemeinde Nonnenhorn. Vor allem an Sommertagen halten zahlreiche Fahrradtouristen an der Torkelhütte an und bestaunen die Weinpresse.
Der älteste deutsche Torkel in der württembergischen Weinbaugemeinde Kleinaspach im Rems-MurrKreis trägt die Jahreszahl 1522. Die älteste Nennung eines Torkels soll jedoch schon aus einem Lexikon aus dem Jahre 24 n. Chr. stammen.
Die Griechen, die Erfinder des Torkels, bedienten sich eines einfachen Gesetzes, dem Hebelgesetz. Mit den Römern und Kelten kam das Torkeln an den Bodensee. Mehrere große Eichenholzbalken werden auf einer Seite mithilfe einer Spindel nach oben geschraubt. Weil die bis zu 15 Meter langen Balken auf einem sogenannten Esel in der Mitte aufliegen, senken sich die schweren Holzbalken ab. So wird ein Druck mit einer Kraft von bis zu 40 Tonnen auf die Trauben ausgeübt, die in einem rechteckigen Becken liegen.
5000 Kilogramm Trauben
30 Pferde und 40 Arbeiter seien damals nötig gewesen, um den Torkel zu bedienen. Sechs bis acht Stunden hat der Pressvorgang gedauert. Um aus wirklich allen Trauben den Saft quetschen zu können, wurde das Becken mehrmals durchmischt. „Alles Handarbeit“, sagt Höscheler. Bis zu 5000 Kilogramm Trauben wurden so verarbeitet, rund 1000 Kilogramm ergeben 750 Liter Most. Die Reben wurden mit großen Holzwannen, sogenannten Zubern, angekarrt.
Nette Anekdote: Das Wort Torkel stammt zwar aus dem Lateinischen und heißt winden, drücken. Wegen eines „Hörfehlers der Lindauer“, erzählt Höscheler, sei aus dem eigentlich richtigen Wort „Torggel“der Torkel entstanden.