Lindauer Zeitung

Fruchtbare Handarbeit

360-Grad-Reportage macht Halt in Nonnenhorn bei einem der ältesten Weintorkel in der Bodenseere­gion

- Von Michael Kroha

NONNENHORN - Von wegen: „Früher war alles besser.“„Das war furchtbare Handarbeit“, erinnert sich Ulrich Höscheler an das Weinpresse­n. Dennoch erzählt er gerne vom Weintorkel in der Conrad-Forster-Straße in Nonnenhorn. Denn noch bis 1958 hat der heute 84-Jährige zusammen mit seinem Vater mit einem der ältesten Torkel in der Bodenseere­gion Trauben gepresst. „Jetzt gibt es dafür wunderbare Maschinen“, sagt der Winzer.

Zusammen mit den Familien Hener, Joos, Kaeß und Martin teilte sich die Familie Höscheler bis zuletzt den Torkel, der Ende der 1960er-Jahre dann aber doch in den Ruhestand ging. Die Ernteausbe­ute sei damals wegen eines Frosts zudem nicht wirklich attraktiv gewesen, erzählt Höscheler. Allerdings wäre der Torkel auch noch heute funktionsf­ähig – obwohl das Holz bereits mehr als 400 Jahre auf dem Buckel hat. In den Spindel ist das Entstehung­sjahr eingravier­t: 1591. Seit 1978 steht der Torkel unter Denkmalsch­utz. Zum 400. Geburtstag schenkten die fünf Familien den Torkel der Gemeinde Nonnenhorn. Vor allem an Sommertage­n halten zahlreiche Fahrradtou­risten an der Torkelhütt­e an und bestaunen die Weinpresse.

Der älteste deutsche Torkel in der württember­gischen Weinbaugem­einde Kleinaspac­h im Rems-MurrKreis trägt die Jahreszahl 1522. Die älteste Nennung eines Torkels soll jedoch schon aus einem Lexikon aus dem Jahre 24 n. Chr. stammen.

Die Griechen, die Erfinder des Torkels, bedienten sich eines einfachen Gesetzes, dem Hebelgeset­z. Mit den Römern und Kelten kam das Torkeln an den Bodensee. Mehrere große Eichenholz­balken werden auf einer Seite mithilfe einer Spindel nach oben geschraubt. Weil die bis zu 15 Meter langen Balken auf einem sogenannte­n Esel in der Mitte aufliegen, senken sich die schweren Holzbalken ab. So wird ein Druck mit einer Kraft von bis zu 40 Tonnen auf die Trauben ausgeübt, die in einem rechteckig­en Becken liegen.

5000 Kilogramm Trauben

30 Pferde und 40 Arbeiter seien damals nötig gewesen, um den Torkel zu bedienen. Sechs bis acht Stunden hat der Pressvorga­ng gedauert. Um aus wirklich allen Trauben den Saft quetschen zu können, wurde das Becken mehrmals durchmisch­t. „Alles Handarbeit“, sagt Höscheler. Bis zu 5000 Kilogramm Trauben wurden so verarbeite­t, rund 1000 Kilogramm ergeben 750 Liter Most. Die Reben wurden mit großen Holzwannen, sogenannte­n Zubern, angekarrt.

Nette Anekdote: Das Wort Torkel stammt zwar aus dem Lateinisch­en und heißt winden, drücken. Wegen eines „Hörfehlers der Lindauer“, erzählt Höscheler, sei aus dem eigentlich richtigen Wort „Torggel“der Torkel entstanden.

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FOTO: MICHAEL KROHA Der Weintorkel in Nonnenhorn ist ein beliebter Rastplatz für Fahrradtou­risten.

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