VHS lenkt im Lindenhofpark den Blick nach oben
Heilpflanzenfachfrau Ingeborg Sponsel führt durch den Park mit seinen vielfältigen Schätzen an Bäumen
LINDAU - Bäume sind nicht nur ein ganz besonderer Schatz. Ihnen werden auch heilende Kräfte nachgesagt. Und ganz abgesehen davon, dass Bäume in Lindau immer ein Thema sind, ist der Lindenhofpark mit seiner Vielzahl verschiedener Baumarten der geeignetste Ort in der Stadt, um mehr über sie zu erfahren. Das fanden auch die Teilnehmer des VHS-Seminars „Bäume im Lindenhofpark“. Die LZ hat sie dabei begleitet.
„Herzlich willkommen bei den Bäumen im Lindenhofpark“, begrüßt Ingeborg Sponsel die 20 Teilnehmer, die sich die Bäume des Lindenhofparks erklären lassen und obendrein etwas über ihre Heilkräfte erfahren wollen. Die Voraussetzungen dafür, dass die zweieinhalb Stunden interessant werden, sind auf jeden Fall schon mal gegeben: Es ist der erste schöne Tag nach tagelangem Regen, die Spät-Nachmittags-Sonne scheint stimmungsvoll durch das Grün der Bäume.
Eine stattliche deutsche Eiche ist es, die die Besucher als erster Baum vom Treffpunkt aus im Lindenhofpark begrüßt. „Ein Holz, das Ewigkeiten hält“, sagt die Heilpflanzenfachfrau und gibt die Fundamente der Villa Wacker als Beispiel für die Langlebigkeit dieses Holzes an. „Aus dem Laub hat man früher Wein gemacht“, erzählt sie. Und: „Die Eichel war früher unser Getreide.“Denn die legten die Menschen früher in Wasser, um die Bitterstoffe zu entfernen. Danach wurden sie geröstet und gemahlen. Aus dem Mehl ließen sich dann die unterschiedlichsten Nahrungsmittel herstellen.
Darüber hinaus ist die Eiche auch für ihre Heilkräfte bekannt, denn ihre Gerbstoffe wirken entzündungshemmend. „Die Eiche ist die Bachblüte Oak. Sie hilft, wieder Vertrauen zu fassen und widerstandsfähig zu werden“, erklärt Sponsel noch, um sich dann dem nächsten Baum zuzuwenden.
„Wir gehen jetzt nach Amerika. Kommen Sie näher, Amerika muss man anfassen und riechen“, fordert Sponsel die Teilnehmer auf, eines der Blätter des Amberbaumes kräftig zwischen den Fingern zu zerreiben, damit der schwere, süße Duft entweichen kann: „Gell, das hat was.“Die Teilnehmer geben ihr Recht. Daneben steht eine seltene Schwarzkiefer, deren Harz früher für den Schiffsbau verwendet und aus deren Kambium Mehl entstand.
Baumschoten, die wie Erbsen schmecken
„Es gibt so gut wie keinen Baum, aus dem man nicht etwas zu Essen machen könnte“, erklärt die Heilpflanzenfachfrau, benennt die nahe Esskastanie, den Ahorn, zeigt später sogar auf die gemeinhin als hochgiftig bekannte Eibe und sagt: „Wir brauchen uns echt keine Sorgen zu machen: Wenn die Supermärkte die Türen schließen, dann gehen wir einfach in den Lindenhofpark.“
Vorbei am kleinblättrigen, vom Buchsbaumzünsler geschundenen Buchs und den großblättrigen, vom Zünsler verschmähten, geht es weiter zum „Buchenwäldle“. Ein Igel huscht durch das Laub und ein Eichkatzerl rettet sich flink auf einen der Bäume. Hier ist die Welt noch in Ordnung. Was daher kommt, dass die Stadtgärtnerei früher das Laub der ganzen Stadt hier hat verrotten lassen. Hier dürfen die Teilnehmer nachspüren, wie die Bäume über ihre Tapenen und Wurzeln miteinander kommunizieren. „Das ist kein esoterischer Quatsch, das ist nachgewiesen“, betont Sponsel und erklärt, dass die japanischen Krankenkassen Aufenthalte in der heilenden Kraft des Waldes bezahlen.
Irgendwo, auf dem Weg zwischen Blauglockenbaum, Magnolie, Scheinzypresse, chinesischer Weihrauchzeder, Wacholder, Birke, Tulpenbaum, Geweihbaum, Nordmanntanne, Mammutbaum, Indianerbohne, Douglasie, Sicheltanne, kaukasische Flügelnuss und Ginko staunt eine Dame: „Solche Schätze.“„Ja, wirklich“, bestätigt die neben ihr laufende Teilnehmerin: „Und man geht immer nur durch und schaut nicht nach oben.“
Der Blick nach oben lohnt sich für die Teilnehmer auf jeden Fall beim falschen Christusdorn. Der gehört nämlich zur Familie der Johannisbrotbaumgewächse und trägt große, exotisch aussehenden Schoten. Das Innere ist eßbar. „Schmeckt voll wie Erbse“, stellt eine Teilnehmerin fest und schnell hat jeder eine Hülse in der Hand. Und tatsächlich: Der Selbstversuch zeigt, der Samen schmeckt nach Erbse.
Und Eibenbeeren als Kompott – nur die Kerne sind giftig
„Und die Eibe ist dann das Kompott“, witzelt der fast einzige Mann in der Runde, als eine der Damen mit einer Handvoll roter Eibenbeeren kommt und sich alle darauf stürzen. Einen zuckerhonigsüßen Geschmack hat die Heilpflanzenfachfrau versprochen. „Aber spuckt’s die Kerne aus“, ermahnt sie noch einmal, weil es schließlich schon ein paar Bäume weit her ist, als sie erklärt hat, dass zwar Nadeln, Rinde und Kern der Eibe giftig sind, nicht aber das Fruchtfleisch. „Schmeckt echt lecker“, findet die Mutige. Eine andere bestätigt. „Die sind total süß!“
Auf diesen Selbstversuch allerdings hat die Reporterin dann
„Es gibt so gut wie keinen Baum, aus dem man nicht etwas zu Essen machen könnte.“Ingeborg Sponsel „Kommen Sie näher, Amerika muss man anfassen und riechen.“Ingeborg Sponsel
doch verzichtet. Das verschiebt sie lieber auf jenen Tag, an dem die Supermärkte ihre Türen schon geschlossen haben und es keine Schokolade mehr zu kaufen gibt.