Like a Bosz
Borussia Dortmund hat erstaunlich schnell die Ideen des neuen Trainers verinnerlicht
DORTMUND (SID/dpa/fil) - „Wir haben heute unseren Meister gefunden. Borussia Dortmund war eine Klasse besser“, sagte Borussia Mönchengladbachs Trainer Dieter Hecking nach dem auch in dieser Höhe hochverdienten 1:6 (0:3) seiner Mannschaft bei Borussia Dortmund. Heckings Analyse war weder beschönigend, noch übertrieben. Und doch vielleicht nicht ganz vollständig. Denn nach der dritten Gala Borussia Dortmunds binnen einer Woche mit imposanten 14:1 Toren schwang nicht nur bei den interessierten Beobachtern im Stadion und am TV sicher auch die Frage mit, ob da nicht nur Mönchengladbach seinen Meister gefunden hat.
Sicher, es sind erst sechs Spieltage vorbei, die Bundesligasaison ist noch verdammt jung. Und doch erinnerte nicht nur die überbordende Partystimmung im Stadion und die ausgelassen tanzenden Spieler auf dem Rasen an die Jubelfeier im letzten Dortmunder Titeljahr 2012. Momentan löst der BVB sämtliche Fesseln und lässt die Euphorie auch zu. Tabellenführung, Traumtore am Fließband, der beste Bundesligastart der Vereinsgeschichte, nie wies ein anderer Bundesligist zudem nach sechs Spieltagen eine Tordifferenz von Plus 18 auf. Und dazu mit „Philameyang“das neue Supersturmduo der Bundesliga auf dem Platz: PierreEmerick Aubameyang mit seinem Dreierpack (45./49./62.) und der ebenfalls seit Wochen herausragende Maximilian Philipp (28./38.), der 20-Millionen-Zugang aus Freiburg, harmonieren prächtig. „Das hätte man sich nicht besser vorstellen können“, schwärmte Mario Götze, der nach überstandener Stoffwechselkrankheit auch wieder stark im Aufwind ist.
Sportdirektor Michael Zorc nannte die Leistung der Mannschaft wahlweise „hervorragend“oder „überragend“. Die Tiefe im Kader ist trotz prominenter Ausfälle wie Marco Reus, André Schürrle oder Raphael Guerreiro mehr als beachtlich: Andrej Jarmolenko, Nuri Sahin, Gonzalo Castro – sie alle spielten am Samstag keine Sekunde. Dennoch fegte der BVB die Gladbacher mit einer offensiven Brillanz aus dem Stadion, wie sie es selten erlebt hatten. „Es war deftig und in der Höhe dennoch verdient“, sagte Spielgestalter Lars Stindl, dem immerhin in der 516. Saisonminute das erste Gegentor des BVB in dieser Saison fabrizierte.
BVB konteranfällig
Es ist zumindest überraschend, wie schnell die Mannschaft die Spielidee des neuen Trainer Peter Bosz verinnerlicht hat und in bester niederländischer Tradition ein radikal vorwärtsgewandtes „voetbal total“praktiziert. Dabei hatte der Coach in der Vorbereitung nach einigen wackligen Testspielen noch geunkt, dass seine Mannschaft seine Ideen nicht binnen weniger Wochen komplett verinnerlichen können würde. Sollte es wirklich noch Wochen dauern, bis der BVB den Trainer komplett verstanden hat, muss sich die Konkurrenz gewaltige Sorgen machen.
Dortmund spielt schon jetzt ziemlich boszhaft – oder auch, um nächste nahe liegende Wortspiel zu strapazieren: Like a Bosz. Ob sich diese Spielweise auch für höhere Aufgaben oder gar Titel taugt, wird sich zeigen. Möglicherweise bereits am Dienstag in der Champions League gegen Titelverteidiger Real Madrid (20.45/Sky). Denn Bosz’ radikale Spielidee mit der hochstehenden Abwehrkette macht den BVB anfällig für Konter. Mehrfach musste Torhüter Roman Bürki auch gegen Gladbach in höchster Not klären. Nicht zuletzt deshalb riet Sportdirektor Zorc mit Blick auf die kommende Aufgabe zu mehr Vorsicht: „Da ist dann nochmals eine andere Qualität auf dem Platz. Zwei, drei Bälle hätte Real anders bestraft.“
In der Champions League steht Dortmund nach der Niederlage zum Auftakt bei Tottenham bereits unter Druck. Vielleicht auch darum konnte Zorc am Samstag der – naheliegenden – Frage wenig abgewinnen, ob der BVB wieder ein Titelanwärter sei. „Schreibt doch, was ihr wollt, aber wir denken extrem von Spiel zu Spiel und nicht, was irgendwann im Mai ist. Das ist ganz, ganz weit weg“, sagte er.