Junge Musiker, große Gefühle
Die Junge Philharmonie Oberschwaben feiert zehnjähriges Bestehen
BAD SAULGAU – Was im September 2008 vielversprechend begonnen hat, trägt längst Früchte, entwickelt sich weiter und erneuert sich von Jahr zu Jahr: Die Junge Philharmonie Oberschwaben (JPO) unter der Leitung von Alban Beikircher feiert dieser Tage ihre zehnte Konzertsaison und begeistert mit einem anspruchsvollen Programm. Nach den ersten beiden Konzerten in Bad Saulgau und Ehingen am Wochenende ist die JPO am 7. Oktober in Bad Buchau und am 8. Oktober in Tuttlingen zu Gast.
Im Bad Saulgauer Stadtforum brummt und summt es: Auf der Toilette verwandeln sich die Mädchen in junge Damen im kurzen oder langen Abendkleid, Schminktäschchen kommen zum Einsatz, es herrscht eine freudige Anspannung. Ebenso bei den Buben und jungen Männern, die Sweatshirt und Jeans gegen schwarzen Anzug mit Fliege tauschen. Ein buntes und festliches Bild ergibt es, wenn alle vor und auf der Bühne Platz genommen haben, die Bläser und Schlagwerker über der großen Gruppe der Streicher, die auf Tuchfühlung mit dem Publikum sitzt. Aus ganz Oberschwaben zwischen Ulm und Bodensee, Tuttlingen und Wangen kommen die Mitglieder der Jungen Philharmonie heuer. Die beiden Jüngsten sind zehn Jahre alt, die Ältesten 22, das ist die Obergrenze in der JPO.
Die Stimmung ist entspannt, man spürt, dass die jungen Menschen über das Musizieren hinaus zusammengewachsen sind. Das, was an lediglich zwei Wochenenden in Friedberg und Sigmaringen vor den Sommerferien und einem Probenwochenende in der Landesakademie in Ochsenhausen erarbeitet wurde, drängt jetzt zur Aufführung: Große Romantik mit Mendelssohn, Rachmaninow und Sibelius, eine Uraufführung mit einem farbenreich effektvollen Stück von Wilfried Hiller und der ebenso lärmende wie mitreißende Marsch „Pomp and Circumstance“von Edward Elgar stehen in diesem Jahr auf dem Programm.
Vor zehn Jahren hatte Alban Beikircher, der rührige Geiger, Kammermusiker, Geigenlehrer, Konzertveranstalter begonnen, in ein Jugendorchester über das Streichorchester der Musikschule hinaus aufzubauen. Stets auf der Suche nach hochwertiger Musik, die Jugendliche anspricht, hatte sich das Repertoire für reine Streicherensembles allmählich erschöpft. Für das Festival Tonkunst Bad Saulgau, dessen künstlerischer Leiter er ist, hatte er 2008 Griegs Peer-Gynt-Suite aufs Programm gesetzt. Durch das Netzwerk unter Musiklehrern und Musikern der Region formierte sich die JPO damals zum ersten Mal, inzwischen von zahlreichen Institutionen gefördert. Es gibt einen Förderverein und engagierte Eltern, die sich um die Logistik kümmern und Instrumente durch die Lande fahren.
Große Werke wie die fünfte Symphonie von Tschaikowsky, die Ouvertüren zu Verdis „Macht des Schicksals“oder Wagners „Fliegender Holländer“, die Symphonie von César Franck oder jetzt Rachmaninows „Toteninsel“nach dem Gemälde von Arnold Böcklin hat Alban Beikircher aufs Programm gesetzt und seine jungen Musiker an sie herangeführt: „Entscheidend sind die Begeisterung und das Verständnis für die Musik und die Empfindungen, dann läuft es!“Es sind emotional gewichtige und musikalisch höchst anspruchsvolle Werke, die ein normaler Musikschüler, der noch nicht im Landes- oder Bundesjugendorchester spielt, in seiner Ausbildung sonst nicht zu sehen bekommt. Die JPO versteht sich als Vorstufe zu diesen Orchestern, so mancher ist dort oder an einer Musikhochschule aufgenommen worden.
Auftragskomposition von Hiller
Besonders liegen dem leidenschaftlichen Musiker die Auftragswerke am Herzen, Uraufführungen, welche die Musiker herausfordern und zum Üben erziehen. In diesem Jahr ging der Auftrag an den Münchner Komponisten Wilfried Hiller, dessen „Engel mit gebundenen Flügeln“eine besondere Künstlerfreundschaft spiegelt. Die Bildhauerin Antje Tesche-Mentzen hatte dem Komponisten einen solchen in Bronze gegossenen Engel auf den Flügel gestellt. Bei der Komposition für die JPO ließ sich Hiller von seinen Gefühlen für diese Figur leiten.
„Das ist die Zukunft, die hier spielt“, rief die begeisterte Bildhauerin den jungen Musikern zu: sehr emotional, gewiss. Doch wer das berührende Geigenspiel der Konzertmeisterin Chiara Stadler und ihren Dialog mit dem jungen Paukisten gehört und vor allem den reinen Chorgesang, den Hiller den jungen Instrumentalisten aufträgt, vernommen hat, kann dem nur zustimmen. Die Zukunft der JPO ist in jedem Fall gesichert, ebenso wie der Jubel des Publikums an diesem Samstagabend.