Der tiefe Fall des Harvey Weinstein
Immer neue Vorwürfe gegen den US-Filmproduzenten – Polizei ermittelt
LOS ANGELES (dpa/AFP) - Die Vorwürfe von sexuellen Belästigungen bis hin zu Vergewaltigungen gegen den amerikanischen Filmproduzenten Harvey Weinstein (65) nehmen kein Ende. Jetzt beschuldigt auch US-Schauspielerin Rose McGowan (44, „Death Proof – Todsicher“) Weinstein der Vergewaltigung. Und noch ein weiterer ranghoher Studiochef wird der sexuellen Belästigung bezichtigt: Roy Price, Chef des zum Onlineriesen Amazon gehörenden Filmstudios, habe sie taktlos angeflirtet und mit sexuellen Bemerkungen bloßgestellt, sagte eine Mitarbeiterin der Amazon Studios dem „Hollywood Reporter“.
Price habe ihr 2015 in einem Taxi gesagt, sie werde seinen Penis lieben. Vor Kollegen auf einer Party habe er außerdem laut „Analsex“in ihr Ohr gesagt. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe suspendierte das Filmstudio Price. McGowan wirft AmazonMann Price vor, auf ihre Beschuldigungen gegen Weinstein nicht reagiert zu haben. Sie habe Price „wieder und wieder“gesagt, dass „HW“sie vergewaltigt habe, ohne dass dieser reagiert habe, schrieb sie in einem an Amazon-Chef Jeff Bezos gerichteten Tweet. „Ich rufe Sie dazu auf, Vergewaltiger, mutmaßliche Pädophile und sexuelle Belästiger nicht weiter zu finanzieren.“
Immer mehr Schauspielerinnen melden sich mit Vorwürfen gegen Weinstein zu Wort. Als 17-Jährige habe sie der Produzent im Bademantel in einem Hotelzimmer empfangen und ihr Alkohol angeboten, schrieb die Schauspielerin Kate Beckinsale (44) auf Instagram. Ihre Kollegin Cara Delevingne (25) berichtete, Weinstein habe sie in einem Hotelzimmer aufgefordert, eine andere Frau zu küssen und dann selbst versucht, sie zu küssen. Auch Topstars wie Gwyneth Paltrow, Angelina Jolie und Ashley Judd belasteten Weinstein schwer. Vergewaltigungsvorwürfe brachten neben MgGowan auch die Schauspielerinnen Asia Argento und Lucia Evans hervor. In einer Reihe von Fällen soll der Hollywood-Mogul Frauen mit Geldzahlungen zum Stillschweigen gebracht haben.
Immer mehr Branchen-Kollegen wenden sich von Weinstein ab. Hollywood-Star Ryan Gosling (36) will Opfer unterstützen, die sich im SexSkandal um Weinstein öffentlich äußern. Regisseur Quentin Tarantino distanzierte sich. „In der letzten Woche war ich erstaunt und erschüttert über die Offenbarungen, die über Harvey Weinstein, meinen Freund seit 25 Jahren, ans Licht gekommen sind“, ließ er mitteilen. „Ich brauche ein paar Tage, um meinen Schmerz, meine Emotionen, meine Wut und meine Erinnerungen zu sortieren, und dann werde ich mich äußern.“
Für Model und Moderatorin Heidi Klum (44) weist der Sex-Skandal um Weinstein auf ein weit größeres Problem hin. „Ich wünschte, die grausamen Geschichten, die ich über Harvey Weinstein lese, seien eine seltene Erscheinung in unserer Gesellschaft. Aber das stimmt einfach nicht. Wir sollten nicht so naiv sein zu denken, dass solch ein Verhalten nur in Hollywood passiert“, sagte Klum dem „People“-Magazin. Klum moderiert in den USA seit Jahren die Castingshow „Project Runway“, die von Weinsteins ehemaliger Firma „The Weinstein Company“mitproduziert wird.
Neben den verheerenden privaten Folgen seiner vermeintlichen sexuellen Ausfälle – seine Frau Georgina Chapman hat ihn bereits verlassen – drohen Weinstein juristische Konsequenzen. Die Polizeibehörden in New York und London kündigten an, Ermittlungen gegen Weinstein aufnehmen zu wollen. Die New Yorker Polizei wolle eine eigentlich bereits abgeschlossene Ermittlung gegen Weinstein aus dem Jahr 2004 neu aufrollen. Auch die Polizei in London erwägt ein Ermittlungsverfahren. Scotland Yard bestätigte, dass die Polizei den Vorwurf eines sexuellen Übergriffs prüfe, der von den Kollegen in Liverpool weitergeleitet worden sei. Es handele sich um einen Vorfall aus den 1980er- Jahren.
Kein Geheimnis in Hollywood
Eine zusätzliche Dimension erhält der Skandal um Weinstein dadurch, dass das Verhalten offenbar vielen in der Branche seit Langem bekannt war. Die französische Schauspielerin Seydoux berichtete in der britischen Zeitung „The Guardian“, „alle“in Hollywood hätten von dessen Verhalten gewusst. „Das ist das Widerlichste daran“, sagte sie.
Im Zuge der Debatte, die die USA aufwühlt, sah sich Schauspieler Ben Affleck selbst zu einer Entschuldigung genötigt, der kurz zuvor noch Weinstein kritisiert hatte. Eine Nutzerin hatte Affleck via Twitter mit einem Video konfrontiert, das eine 14 Jahre alte Szene aus der MTV-Sendung „Total Request Live“zeigt. Im Interview mit Moderatorin Hilarie Burton steht der junge Affleck plötzlich auf und legt seinen Arm um ihre Schulter. Tatsächlich habe er dabei aber ihren Busen begrapscht, erklärte Burton in einem Video später.