Schlecker und seinen Kindern drohen lange Haftstrafen
Staatsanwaltschaft beantragt drei Jahre Gefängnis für den ehemaligen Drogeriemarktkönig wegen Bankrott
STUTTGART - Nach dem Willen der Staatsanwaltschaft soll Anton Schlecker eine dreijährige Haftstrafe absitzen. Der ehemalige Drogeriemarktkönig aus Ehingen habe sein Imperium in den Bankrott geführt und zuvor Millionen beiseitegeschafft – das erklärten die Vertreter der Anklage am Montag vor dem Stuttgarter Landgericht. Schleckers Kinder Lars und Meike sollen ihm dabei geholfen haben. Deshalb fordert die Staatsanwaltschaft auch für sie Haftstrafen: zwei Jahre und zehn Monate für Lars sowie zwei Jahre und acht Monate für Meike.
Anton Schlecker hat sein Unternehmen als eingetragener Kaufmann geführt und haftete daher mit seinem Privatvermögen. „Seit 2009 ging es nur noch darum, Löcher zu stopfen“, sagte Staatsanwalt Thomas Böttger. Spätestens seit Ende 2010 sei dem 73Jährigen und seinen Kinder klar gewesen, dass die Krise in die Insolvenz führen würde. Schleckers Anwalt Norbert Scharf nannte den Vorwurf des besonders schweren Bank- rotts „abwegig“und sprach selbst von einem minder schweren Fall. Die Forderung nach einer Haftstrafe hält der Verteidiger für überzogen.
Der Prozess um die Schlecker-Insolvenz läuft seit März. Nach den Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger steuert er nun seinem Ende zu. Das Urteil wird für kommenden Montag erwartet.
STUTTGART (AFP) - Als der Staatsanwalt schließlich drei Jahre Haft für ihren ehemaligen Arbeitgeber Anton Schlecker fordert, freuen sich die beiden Frauen. Über zweieinhalb Stunden Plädoyer haben sie am Landgericht Stuttgart fiebernd mitverfolgt, die Vorwürfe der Anklage mit einem „Was soll man da noch sagen“kommentiert. Für die ehemaligen Schlecker-Mitarbeiterinnen ist klar: Schlecker hat Zehntausende Frauen wie sie in die Arbeitslosigkeit gestürzt – und seiner Familie davor noch die Pfründe gesichert.
Im Gegensatz zu ihnen wirkt der einstige Drogeriekönig starr. Schlecker, 73 Jahre alt, gelernter Metzger und Kaufmann, ehemals Patriarch eines milliardenschweren Imperiums mit mehreren Tausend Filialen. Mutwillig soll er sein Lebenswerk in den Bankrott getrieben haben, obwohl die Zahlen längst tiefrot waren. Dafür, und für Zuwendungen an seine Familie, soll er nach dem Willen der Staatsanwaltschaft hinter Gitter. Und seine beiden Kinder Lars und Meike Schlecker mit ihm.
Seine Anwälte beschreiben ihn als Kämpfer, der fest überzeugt war, dass er das Ruder bei den blauen Drogerien noch einmal herumreißen könnte. Als jemanden, der noch ein halbes Jahr vor dem Insolvenzantrag im Januar 2012 keine Ahnung davon hatte, dass die Zahlungsunfähigkeit droht. Der seine Rechnungen nie platzen ließ.
Sie beschreiben ihn als Kümmerer, der selbst im Angesicht der Insolvenz dafür sorgte, dass die Angestellten noch Weihnachtsgeld bekamen. Schlecker hätte seine Millionen einfach ins Ausland retten können, doch stattdessen stand er mit seinem Privatvermögen ein. Seiner Familie habe er schon immer teure Geschenke gemacht.
Die Staatsanwälte nehmen ihm das nicht ab. Sie nennen Schlecker einen „Zahlenmenschen“, der in seinem Konzern mit harter Hand „durchregierte“. Spätestens Ende 2010 sei ihm bewusst gewesen, wie es um sein Unternehmen stand. Schlecker habe deutlich überhöhte Stundengelder an die Logistikfirma seiner Kinder gezahlt, obwohl er dringend hätte sparen müssen. In dieser Situation habe er seinen Enkeln jeweils 200 000 Euro geschenkt, seiner Frau das Zwei-Millionen-Anwesen übertragen, seinem Sohn die Berliner Wohnung für 300 000 Euro renoviert und seiner Familie einen Karibikurlaub für 50 000 Euro spendiert.
Sie werfen Schlecker vor, dass er wenige Tage vor dem Insolvenzantrag Grundstücke für sieben Millionen Euro an die Firma seiner Kinder verkaufte. Das Geld habe er dann als Schuldendienst für einen Kredit wieder an diese Firma zurückgegeben. Die Kinder hätten die Millionen sofort per Blitzüberweisung auf ihre Privatkonten weitergeleitet und damit ihr Unternehmen ebenfalls überschuldet. „Die Schäfchen ins Trockene bringen“, nennen die Staatsanwälte das.
Diese Transaktion habe Schlecker im Insolvenzverfahren bewusst verschwiegen. Erst 2013 zahlten die Kinder das Geld im Rahmen eines Ver- gleichs an den Insolvenzverwalter zurück. Kürzlich überwiesen sie und ihre Mutter noch einmal vier Millionen Euro als Schadenswiedergutmachung. Sie erhoffen sich davon wohl ein milderes Urteil.
Urteil fällt nächsten Montag
Wenn die Richter in der kommenden Woche ihre Entscheidung verkünden, beenden sie ein fünf Jahre andauerndes Ermittlungsverfahren und einen Prozess, an dem teilweise 18 Volljuristen gleichzeitig mitwirkten. Sie könnten den einstigen Drogeriekönig ins Gefängnis werfen. Mitleid von seinen früheren Angestellten sollte er nicht erwarten.