März wäre wohl der späteste Termin für Neuwahlen
Welche Szenarien nach dem Ende der Sondierungsgespräche wahrscheinlich sind
BERLIN - Nach dem Scheitern der Sondierungen von Union, FDP und Grünen gibt es mehrere Optionen – zumindest in der Theorie. Nun schlägt die Stunde des Bundespräsidenten. Frank-Walter Steinmeier muss die Weichen stellen, es gibt mehrere Optionen. Aber welche Möglichkeit ist am wahrscheinlichsten, welche Argumente werden ins Feld geführt? Tobias Schmidt erklärt die Hintergründe zu den Post-Jamaika-Szenarien.
Könnte die FDP doch noch einlenken und ein neuer Anlauf zu Jamaika gestartet werden?
Darauf setzt offenbar die Kanzlerin. Aus ihrer Sicht seien die Sondierungen zum Greifen nah gewesen, auch die FDP hätte „ein gutes Ergebnis“erreichen können, sagte sie am Montag und hofft, Steinmeier werde die Liberalen ins Gebet nehmen. Von den Liberalen kamen am Montag keinerlei Signale, an den Verhandlungstisch zurückkehren zu wollen. Und die Wut der Grünen über die zugeknallte Tür der FDP macht es wenig wahrscheinlich, dass noch ein ausreichendes Restvertrauen vorhanden ist.
Wie stehen die Chancen für eine Minderheitsregierung?
Wenn sie wollte, könnte Angela Merkel wohl auch ein Bündnis mit FDP oder Grünen schließen. Doch widerstreben der Regierungschefin unsichere Verhältnisse und wechselnde Mehrheiten zutiefst. Einer CDU/CSU-Minderheitsregierung mit der FDP würden im Bundestag 29 Sitze zu einer Mehrheit fehlen, Schwarz-Grün hätte 42 Sitze zu wenig. Und dass die SPD Gesetze der Kanzlerin absegnen würde oder gar einer der verhinderten JamaikaPartner, der dann nicht in der Regierung säße, gilt als ungewiss. Wichtige Weichenstellungen wären blockiert. Und ein „Durchwursteln“würde Merkel überdies schwächen.
Welches Szenario ist dann am wahrscheinlichsten?
„Ich gehe davon aus, dass es Neuwahlen gibt“, legte sich Grünen-Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt fest. Auch die SPD for- derte Neuwahlen. Doch der Weg dorthin ist kompliziert (siehe Kasten). Der März wäre wohl der späteste Termin für Neuwahlen. Es könnte aber auch schneller gehen.
Was spricht gegen Neuwahlen?
Vor dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen hatten sich fast 70 Prozent der Deutschen für Neuwahlen ausgesprochen, sollte es nichts werden mit dem Bündnis von Union, FDP und Grünen. Ein Haken: Laut Umfragen käme derzeit ein ganz ähnliches Ergebnis heraus wie am 24. September, eine stabile Mehrheit hätte nur Jamaika oder Schwarz-Rot, das Theater begänne von vorn. Die Wiederholung der Wahl nach nur wenigen Monaten wäre außerdem eine „Düpierung des Wahlvolkes“, meint Politikwissenschaftler Herfried Münkler.
Wer wäre der Gewinner, wer der Verlierer von Neuwahlen?
Die AfD jubelte am Montag bereits über die Aussicht, von Neuwahlen zu profitieren. Allerdings will sich auch die FDP um die Klientel rechts von der Union bemühen, Parteichef Christian Lindner hatte in den Jamaika-Sondierungen die Union rechts überholt und will enttäuschte CDUWähler einsammeln. Die SPD droht durch ihr Nein zur Großen Koalition dafür abgestraft zu werden, sich aus der Verantwortung gezogen zu haben. Überdies gilt Martin Schulz – als wahrscheinlichster Spitzenkandidat – weiterhin als chancenlos gegen Merkel. Die Kanzlerin und ihre Union könnten womöglich zu den Gewinnern von Neuwahlen werden, wenn die Wähler auf Stabilität und Verlässlichkeit setzen. Allerdings wird der Unmut in der Union steigen: Schließlich hatte die Kanzlerin alles auf die Jamaika-Karte gesetzt, die Verhandlungen geleitet und ist nun auch für das Scheitern verantwortlich. Für die CSU wäre ein Jamaika-Bündnis mit den Grünen eine schwere Bürde gewesen.