Aus der Zeit gefallen
Tears for Fears melden sich mit einem Greatest-Hits-Album und zwei neuen Songs zurück
RAVENSBURG - Es gibt einige Bands, die sich bis heute musikalisch daran abarbeiten, keine 1980er-Jahre-Band sein zu wollen. Wenigen, zum Beispiel Depeche Mode, gelingt es, sich über Dekaden zu halten, zu verändern und immer wieder musikalisches Neuland zu betreten. Andere geben sich erst gar keine Mühe, ihren musikalischen Hintergrund zu leugnen – wie Orchestral Manoeuvres in the Dark. Sie sind bis heute aktiv – und klingen wie einst: Synthesizer, Elektro, trockene Beats. Und dann gibt es Gruppen, die sind quasi aus der Zeit gefallen: hierzu zählen Tears For Fears.
Die Band aus dem englischen Kurort Bath, im Laufe der Jahrzehnte zum Duo Curt Smith/Roland Orzabal geschrumpft, hat zeitlose Lieder, darunter unvergessene Hits wie „Shout“, „Everybody Wants to Rule The World“, „Pale Shelter“oder „Mad World“, auf der Habenseite. Natürlich klingen viele dieser Songs unverkennbar nach Synth-Pop. Doch schon bei „Sowing The Seeds of Love“oder „Woman in Chains“wird klar: hier ist mehr geboten als stupides Boing-Boom-Tschak. Jazzig und soulig geht es zu, aber stets mit einem unglaublichen Gespür für Melodien und Refrains. Und selbst für Fans lohnt sich die Kompilation, denn auch zwei neue Lieder fanden den Weg auf das Album. Es sind nicht die besten Songs ihrer 35 Jahre währenden Karriere, aber mit „I Love You But I’m Lost“ist den beiden Musikern ein überaus eleganter, eingängiger Pop-Song gelungen. Einst wäre es wohl ein kleinerer Hit geworden. Und die Ballade „Stay“, eher untypisch für die Band, lädt zum Nachdenken ein.
Dass Tears for Fears eine reine 80er-Band sein sollen? „Das nervt definitiv“, sagt Sänger Curt Smith. „Es ist ja nicht so, dass wir in anderen Jahrzehnten nicht gearbeitet haben.“Er und Gitarrist Orzabal, inzwischen beide 56 Jahre alt, lernten sich als Teenager Ende der 70er-Jahre durch einen gemeinsamen Schulfreund in Bath kennen. Die beiden spielten gemeinsam in mehreren Bands, bevor sie schließlich Tears For Fears grün- deten. Mühsam war lediglich der Start. „Erst mal sind zwei Singles gefloppt“, erzählt Orzabal. „In der Plattenfirma gab es schon Gespräche darüber, ob sie uns behalten sollten.“Doch wenige Monate vor der Veröf- fentlichung ihres Debütalbums „The Hurting“kam mit „Mad World“der erste Erfolg. Dabei war das Lied mit der wohl traurigsten Textzeile der Band – „The Dreams in Which I'm Dying Are The Best I've Ever Had“(„Die Träume, in denen ich sterbe, sind die besten, die ich jemals hatte“) – ursprünglich nicht als Single vorgesehen. „Die Plattenfirma hat das veröffentlicht, weil sie dachte, dass das bei den Kritikern gut ankommt“, vermutet Smith noch heute. „Ich glaube nicht, dass die einen Hit erwartet haben.“Auch die Musiker wurden vom Erfolg überrumpelt. „Wir waren jung, modisch und wurden plötzlich zu Popstars“, sagt Smith. „Aber wir hatten uns selbst nie als Popstars gesehen. Wir waren der Meinung, unsere Musik wäre tiefgründiger. Darum war es dann etwas seltsam, dass Mädchen geschrien haben, wenn sie uns gesehen haben.“
Es folgte die Weltkarriere mit dem Album „Songs From The Big Chair“und den Mega-Hits „Everybody Wants To Rule The World“und „Shout“. 1991, nach der dritten LP „The Seeds of Love“, gingen sie getrennte Wege – und sprachen lange nicht mehr miteinander. Orzabal führte Tears for Fears mit mäßigem Erfolg alleine weiter. Zur Jahrtausendwende fanden die zwei Ausnahmemusiker wieder zusammen, jedoch eher zwangsläufig. Sie mussten, so Smith, „Papierkram“regeln.
Neues Studioalbum kommt 2018
2005 kam dann das bis dato letzte Studioalbum heraus, charmant betitelt mit „Everybody Loves A Happy Ending“. Und tatsächlich geht die Bandgeschichte mit dem aktuellen Greatest-Hits-Album nicht zu Ende. Für Mitte 2018 ist ein neues Werk, das siebte Studioalbum angekündigt. Auf Tour gehen Tears for Fears übrigens auch wieder. Vorerst allerdings nur in ihrer Heimat Großbritannien. Das mit der musikalischen „Weltherrschaft“ist eben doch schon ein paar Jahre her.