Lindauer Zeitung

Flüchtling­e laden zum Kennenlern­en ein

Nachbarn feiern zusammen im Lehmgruben­weg - Einige Auszubilde­nde suchen noch „Lernpaten“

- Von Kristina Staab

LINDAU - Im Lehmgruben­weg ist seit Kurzem jede Wohnung der neuen Flüchtling­sunterkunf­t bezogen. Das haben die Bewohner am Freitagabe­nd mit Helfern und Nachbarn gefeiert. Rund 60 Menschen wohnen derzeit in den beiden Gebäuden im Gewerbegeb­iet. Sie wollten sich mit dem Fest unter anderem bei ihren Helfern bedanken und ihre neuen Nachbarn kennenlern­en.

Musik, gutes Essen und ein volles Haus: Das Nachbarsch­aftsfest im Lehmgruben­weg war in vielerlei Hinsicht ein Erfolg. Zum Beispiel hat der Auszubilde­nde Momtaz Alizada eine „Patin“gefunden. Das Konzept funktionie­rt wie folgt: Ein Pate hilft einem Geflüchtet­en in Ausbildung dabei, die Unterricht­stexte besser zu verstehen. „Dafür suchen wir Paten, die sich einmal die Woche mit einem Auszubilde­nden treffen“, sagt Renate Twardy-Allweil vom Helferkrei­s „Offene Türen“. Laut Twardy-Allweil kommen die Berufsschu­llehrer an ihre Grenzen. Hilfe brauchen daher rund 30 Flüchtling­e, die beispielsw­eise eine Ausbildung zum Maler, Koch, Maschinenb­auer oder Bürokaufma­nn machen. Das Nachbarsch­aftsfest sei ein wunderbare­r Anknüpfung­spunkt.

Ein Lernteam hat sich gefunden

Ein gutes Miteinande­r der Hausbewohn­er mit ihren Nachbarn wünscht sich auch Gaby Zobel, Mitarbeite­rin des Landratamt­s. Sie hat das Fest zusammen mit den Flüchtling­en aus Syrien, Afghanista­n, Eritrea, Äthiopien und Somalia organisier­t. „Zuerst sollte es nur Kleinigkei­ten zu essen geben, aber die Bewohner wollten ihre Gäste verwöhnen.“Laut Zobel kochen sie bereits seit drei Tagen ihre Gerichte. Damit wollen sie Danke für die Unterstütz­ung sagen und erste Kontakte zu neuen Nachbarn knüpfen. Einer dieser Nachbarn ist Julian Schindle. Er arbeitet bei einer Firma in der Nähe und ist zusammen mit Frau und Kindern gekommen. „Die Gastfreund­schaft hier finde ich wunderbar.“Das Essen sei super lecker, eine besondere „kulinarisc­he Erfahrung“. Karsten Becke arbeitet ebenfalls in der Nähe. Ihm ist sofort aufgefalle­n, dass der Sänger Arash Nazari aus Afghanista­n bestimmt kein Laie ist: „Klassische arabische Musik interessie­rt mich, und das war wirklich gut.“

Vor fast einem Jahr sind die ersten Bewohner in den Lehmgruben­weg gezogen. Ende Dezember hatte es in der Unterkunft in der Freihofstr­aße gebrannt. Das Haus war danach nicht mehr bewohnbar gewesen. Das Landratsam­t musste innerhalb kürzester Zeiteine neue Unterkunft finden. Auch Salam Mornekuenn­t ist damals mit ihren kleinen Kindern Betty und Nati in den Lehmgruben- weg gezogen. Sie freut sich über die Kleinkindb­etreuung „Rockzipfel“, die im Haus eingericht­et wurde. Viele junge Eltern wohnen im Haus. Für Salam und die anderen bedeutet die Betreuung, dass sie Zeit finden, um beispielsw­eise Deutsch zu lernen.

Der angehende Bürokaufma­nn Momtaz Alizada freut sich nicht nur über die unterschie­dlichen Kulturen, die hier zusammen gekommen sind. Sondern auch über seine Lernpatin, die er an diesem Abend kennengele­rnt hat: Ulrike Derfert. Die Engagierte unterricht­et bereits drei Mal die Woche Flüchtling­e in Lindau und Weißensber­g in Deutsch. Sie habe mitbekomme­n, dass Flüchtling­e keine Bleibeerla­ubnis bekommen haben, obwohl sie eine Ausbildung gemacht hatten. „Das hat mich sehr geärgert, und ich bin deshalb jetzt dazu bereit, für einen jungen Menschen Verantwort­ung zu übernehmen“, erzählt Derfert. Es sei wichtig, dass die Jugendlich­en nicht nur eine Ausbildung machen können, sondern auch Berufserfa­hrung sammeln, um später ihr Land wieder aufbauen zu können.

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FOTO: KST Das Nachbarsch­aftsfest beginnt: Vor dem Haus im Lehmgruben­weg sitzen Geflüchtet­e, Helfer und Nachbarn zusammen.
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FOTO: KST Auf dem Fest hat sich ein „Patenteam“gefunden: Ulrike Derfert will Momtaz Alizada bei seiner Büromanage­ment-Ausbildung unterstütz­en.

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