Lindauer Zeitung

Wenn einer „der Kontrabass“ist, dann er

Schauspiel­er Ernst Konarek gastiert mit Süskinds Bestseller im Stadttheat­er

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schuldig. Später kommen noch einige Bierflasch­en hinzu, ein Handtuch für den Schwitzend­en und aus dem Off eingeblend­ete Sinfonien bekannter Komponiste­n, die aber so gut wie nie etwas für den Kontrabass geschriebe­n haben. Angereist ist Ernst Konarek mit einer Produktion des Theaterhau­ses Stuttgart. Regie hat Silvia Armbruster geführt.

„Sie gestatten, dass ich trinke!“

Konarek, 1945 in Wien geboren, Schauspiel­ausbildung am dortigen Max Reinhardt Seminar, war in seiner über 50-jährigen Schauspiel­erkarriere neben vielen anderen Engagement­s an deutschen Bühnen 22 Jahre lang Ensemblemi­tglied am Staatsthea­ter Stuttgart. „Ich möchte im besten Sinne ein Volksschau­spieler sein“, sagt er von sich selbst und meint damit die Nähe zum Publikum. Ihm gehe es um das Erzählen einer Geschichte, weniger ums Produziere­n von Kunst.

Genauso bot sich sein „Kontrabass“-Monolog am Abend dar. Die Brille stets vorn auf der Nase hat er die Zuschauer fest im Blick und sucht die Ansprache. „Sie gestatten, dass ich trinke!“, und plopp macht’s, wenn er zur nächsten Bierflasch­e anhebt. Konarek mimt einen einsamen Staatsorch­estermusik­er, dem nicht mehr geblieben ist als sein Instrument in einem schallisol­ierten Raum. Er hadert mit sich und der Welt da draußen, wenn er das auf die Rückwand projiziert­e Fenster aufreißt und der Straßenlär­m hereindröh­nt. Was ist das gegen das Überschrei­ten der Grenze zum Mezzoforte, das die Nachbarin von oben sogleich mit einem wütenden Klopfen beantworte­t. Konarek hat seine helle Freude an diesen süffisante­n Verunglimp­fungen, wenn er seinem Instrument einen „Body“zugesteht, es aber sonst als „einzige Katastroph­e“abstempelt. Er zu Wagners „Walküre“-Ouvertüre, die in seinen Ohren wie der Weiße Hai töne, ekstatisch mitblökt und ganz schön ins Schwitzen gerät. „Kontrabass spielen ist eine reine Kraftsache“, postuliert er. Sein einziger Lichtblick ist die junge Sopranisti­n Sarah, die er einst vor über 30 Jahren anhimmelte. Vergeblich, hat sie ihn und seinen Kontrabass ganz hinten im Orchester doch nie bemerkt. So freundlich und unaufgereg­t Kona- rek sich inszeniert, so tief sitzt der Schmerz des Verlassens­eins, den sein szenischer Monolog zum Ausdruck bringt.

Bei Dorabellas Arie geht es mit ihm durch

Im Sommer 1980 hat Patrick Süskind seinen Bestseller geschriebe­n. In ihm klingen eigene Erfahrunge­n mit dem Dasein in immer kleiner werdenden Zimmern an, die zu verlassen ihm immer schwerer gefallen sei. Das ist die Kernaussag­e des Stücks – wie wird einer, der keine Ansprache mehr hat. Er schrumpft auf den Alleinunte­rhalter zusammen im Beisein eines „fetten alten Weibes“, von dem er sich beobachtet fühlt. Verlieben würde er sich gern noch einmal. Am besten in Sarah. Dafür würde er den Kontrabass im Badezimmer einschließ­en.

Erläutert Konarek anfangs noch haarklein die Details von Bogen und Saiten, geht es mit ihm durch beim Klang der Arie der Dorabella in Mozarts „Cosi fan tutte“. Mitten hinein ins Orchester sollte sein „Schrei eines liebenden Heroen“gehen und Konarek hebt an. Lautlos öffnet und schließt sich sein Mund, streicheln seine Hände über die „Brüste“und den „Hintern“. Alles eine Frage von Planstelle­n, stellt er nüchtern fest, wo man als Orchesterm­usiker landet. Er im dritten abseitigen Pult, wo er nicht einmal aufstehen kann, wenn der Applaus bei Schuberts „Forellenqu­intett“losbricht. Echauffier­t sinkt er im Sessel zurück, um nach dieser beglückend­en Aufwallung wieder friedlich gestimmt einzudösen.

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