Lindauer Zeitung

Bewegendes Zeugnis gegen das Vergessen

Rund 50 Lindauer sehen im Kino den Dokumentar­film „Wir sind Juden aus Breslau“

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Denn die Nazis verfolgten sie alle unerbittli­ch. Und überlebt hat nur, wer riesiges Glück hatte.

Kaper gelingt ein überaus bewegender Film, der weitgehend ohne dramatisie­rende Elemente auskommt, wie man sie aus vielen Fernsehdok­us kennt. Die Regisseuri­n verlässt sich auf ihre Gesprächsp­artner, von denen einige weit über 90 sind. Die Kamera bleibt oft länger auf den Gesichtern, als es der Zuschauer ertragen mag. Zugleich wird er nicht zum Gaffer, wenn nur aus dem Off zu hören ist, wie sie über den Tod ihrer Angehörige­n sprechen.

Und Kaper schafft mit einer genialen Idee eine weitere Nähe zum Zuschauer. Denn einige ihrer Protagonis­ten kommen zurück nach Breslau und treffen dort auf Jugendlich­e aus Deutschlan­d und Polen, die sich sehr genau auf diese Begegnung vorbereite­t haben. Gemeinsam suchen sie die schrecklic­hen Orte der NaziGeschi­chte auf.

Renate Lasker-Harprecht geht mit den Jugendlich­en in das Gefängnis, wo sie 1942 bis zu ihrer Deportatio­n nach Auschwitz einsaß. Abraham Ascher tritt mit den jungen Leuten auf den Balkon, auf dem vor 80 Jahren Hitler sprach und erzählt, wie er damals allen Verboten zum Trotz diesen Mann selbst erleben wollte, der dieses Unheil über die Juden brachte.

Die Zuschauer lernen den jüdischen Friedhof kennen und sind bei der Einweihung der wieder aufgebaute­n Synagoge „Zum weißen Storch“in Breslau dabei. Renate Lasker-Wallfisch, die als Cellistin im Frauenorch­ester von Auschwitz-Birkenau gespielt hat, berichtet vom Abschied ihrer später ermordeten Eltern, von der Zeit in den KZs Auschwitz und Bergen-Belsen.

Die Überlebend­en haben Angst vor dem Erfolg rechter Gruppen

Andere hatten Glück und konnten fliehen, europäisch­e Länder wie England nahmen kaum Flüchtling­e auf, aber nach Israel kamen einige, die dort im Kibbutz lebten. Einige gingen später weiter in die USA, wie der jüngst verstorben­e Historiker Fritz Stern. Auch der Blick der Überlebend­en auf Israel und dessen Umgang mit den Palästinen­sern ist sehr unterschie­dlich. Während die eine Lasker-Schwester alles auf den Holocaust und die Angst der Juden vor weiterer Verfolgung zurückführ­t, tut die andere das ab und wundert sich, weil gerade die Israelis es besser wissen müssten.

Angst macht den Überlebend­en der zunehmende Erfolg rechter Gruppen in ganz Europa, so kommt es auch in Breslau wieder zu Aufmärsche­n Rechtsradi­kaler. Das erinnert fatal an die Erzählunge­n, wie es mit den Nazis in den 20er Jahren begonnen hat. Insofern ist der Film, den die Attac-Regionalgr­uppe, die Friedensrä­ume und der Verein „Keine Waffen vom Bodensee“nach Lindau geholt haben, ein bewegendes Zeugnis gegen das Vergessen.

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FOTO: KARIN KAPER FILM GBR Kaum ein Kind dieser jüdischen Schulklass­e aus dem Jahr 1938 hat überlebt. Der Film „Wir sind Juden aus Breslau“zeigt die Schicksale einiger Überlebend­er.

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