Wenn die Mama mit dem Sohn zockt
Eltern hören auf der Medienmesse nicht nur Vorträge, sondern spielen selbst eine Runde
LINDENBERG - „Die Zombies kommen fast durch. Wir müssen schnell etwas bauen“, sagt Hanne Angele. Aufgeregt wippt sie mit ihrem ganzen Körper hin und her. Sohn Paul hockt grinsend daneben. Er hält ein Tablet in der Hand, auf dem Mutter und Sohn gerade das Spiel „Plants vs. Zombies“ausprobieren. In einer comicartigen Welt muss der Spieler verhindern, dass Zombies das Ende seines Gartens erreichen, indem er spuckende und explodierenden Pflanzen aufstellt.
Das gemeinsame Zocken mit dem Nachwuchs – auf der Medienmesse in Lindenberg war das möglich. Ziel der Veranstaltung: Durch Kurzvorträge, Gespräche, Flyer und Ausprobieren sollen Eltern das nötige Handwerkszeug für die Medienerziehung ihrer Kinder bekommen. Mehrere Hundert Mamas und Papas namen das Angebot an und kamen am Samstag ins Foyer der Mittelschule Lindenberg.
Für Hanne Angele war das gemeinsame Zocken mit Sohn Paul ein tolles Erlebnis. „Er findet es immer witzig, wenn ich mich da reinsteigere. Aber so bekommt man mal mit, wo der Bub wach wird und was ihn interessiert“, erklärt sie. Der Vortrag zur Internetsucht sei außerdem sehr wertvoll gewesen.
Betreut wurde die Zockerecke von Hans-Jürgen Palme vom medienpädagogischen Fachverein „Studio im Netz“aus München. „Es war nett, Eltern und Kinder gemeinsam beim Spielen zuzuschauen. Vor allem bei den Bewegungsspielen haben viele mitgemacht“, sagt Palme. Er wollte den Messebesuchern zeigen, dass es auch gute Spiele gibt. Allerdings machte er auch darauf aufmerksam, dass viele Games mit dem Spieler spielen – und nicht andersherum. Als Beispiel nannte er ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem beide Spieler automatisch immer gleich oft gewinnen. Somit hört keiner frustriert auf und es wird immer weitergespielt. „Manche Eltern hatten die Beratung schon nötig. Es gab aber auch Väter, da hat man gemerkt, dass sie selber zocken“, sagt Palme schmunzelnd.
Niels Pruin vom Caritasverband der Diözese referierte über Internetsucht. „Wichtig ist nicht, wie lang bin ich im Netz, sondern warum“, erklärte Pruin den Zuhörern. Solange Computerspiele nicht die einzige Methode seien, um abzuschalten, sei alles okay. Als er erklärt, dass am Handy wesentlich mehr gezockt wird als am PC, geht ein Raunen durch die Zuhörer. „Beim Handy werden Eltern nicht hellhörig. Wenn der Sohn aber den ganzen Tag im dunklen Zimmer hockt, zwei Bildschirme vor der Nase, dann schon“, sagt Pruin.
Als Leiter des Fachgebiets Medien- und Internetsucht hat Pruin bereits viele Vorträge zu diesem Thema gehalten. Aber auch für ihn ist die Medienmesse eine neue Erfahrung: „Das persönliche Gespräch auf einer Messe hatte ich noch nie. Das ist richtig cool. Ich bin überrascht wie sehr das angenommen wird. Redebedarf ist da.“Oftmals hätten die Eltern das richtige Bauchgefühl, wenn es um die Medienerziehung ihrer Kinder geht, ist Pruin aufgefallen. „Sie sind nur unsicher, handeln aber normal richtig.“
Michael Mennecke, besser bekannt als der „Computer-Michel“aus Röthenbach, erklärte, wie Eltern die Accounts ihrer Kinder richtig einstellen und wie sie am Router die Internetzeit begrenzen können. „Es kamen auch Eltern zu mir, die absolut keinen Plan hatten“, sagt er. Die hätten sich im privaten Gespräch getraut, endlich einmal Fragen zu stellen, für die sie sich sonst schämen. Was ist ein Browser? Was ist Streaming? „Jeder spricht mit diesen Fremdwörtern. Die muss man auch mal erklären“, sagt Mennecke. Ein Browser ist ein Programm, mit dem man Internetseiten öffnen kann. Beim Streaming werden Daten, etwa Filme, auf das Gerät des Nutzers übertragen und dort abgespielt. Anders als bei einem Download werden sie anschließend wieder gelöscht.
Nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und Jugendliche kamen in die Mittelschule. Der elfjährige Luk Rauschenbach hörte sich beispielsweise den Vortrag zur Internetsucht an. Das Thema spiele auch in seinem Freundeskreis eine Rolle. Da er eine eigene Konsole besitzt, sei er beispielsweise auch schon „Suchti“genannt worden.
„Wir haben einen Nerv getroffen“, fasst Stefan Fürhaupter zusammen. Er ist Mitglied des Arbeitskreises Medienkompetenz, der die Messe veranstaltet hat. „Ich arbeite in der Grundschule Reutin. Es sind auch Eltern von dort nach Lindenberg gefahren, das hat mich überrascht“, sagt Fürhaupter. Für den Arbeitskreis steht außer Frage, dass es die Messe auch im nächsten Jahr wieder geben soll.