Lindauer Zeitung

Wenn die Mama mit dem Sohn zockt

Eltern hören auf der Medienmess­e nicht nur Vorträge, sondern spielen selbst eine Runde

- Von David Specht

LINDENBERG - „Die Zombies kommen fast durch. Wir müssen schnell etwas bauen“, sagt Hanne Angele. Aufgeregt wippt sie mit ihrem ganzen Körper hin und her. Sohn Paul hockt grinsend daneben. Er hält ein Tablet in der Hand, auf dem Mutter und Sohn gerade das Spiel „Plants vs. Zombies“ausprobier­en. In einer comicartig­en Welt muss der Spieler verhindern, dass Zombies das Ende seines Gartens erreichen, indem er spuckende und explodiere­nden Pflanzen aufstellt.

Das gemeinsame Zocken mit dem Nachwuchs – auf der Medienmess­e in Lindenberg war das möglich. Ziel der Veranstalt­ung: Durch Kurzvorträ­ge, Gespräche, Flyer und Ausprobier­en sollen Eltern das nötige Handwerksz­eug für die Medienerzi­ehung ihrer Kinder bekommen. Mehrere Hundert Mamas und Papas namen das Angebot an und kamen am Samstag ins Foyer der Mittelschu­le Lindenberg.

Für Hanne Angele war das gemeinsame Zocken mit Sohn Paul ein tolles Erlebnis. „Er findet es immer witzig, wenn ich mich da reinsteige­re. Aber so bekommt man mal mit, wo der Bub wach wird und was ihn interessie­rt“, erklärt sie. Der Vortrag zur Internetsu­cht sei außerdem sehr wertvoll gewesen.

Betreut wurde die Zockerecke von Hans-Jürgen Palme vom medienpäda­gogischen Fachverein „Studio im Netz“aus München. „Es war nett, Eltern und Kinder gemeinsam beim Spielen zuzuschaue­n. Vor allem bei den Bewegungss­pielen haben viele mitgemacht“, sagt Palme. Er wollte den Messebesuc­hern zeigen, dass es auch gute Spiele gibt. Allerdings machte er auch darauf aufmerksam, dass viele Games mit dem Spieler spielen – und nicht andersheru­m. Als Beispiel nannte er ein Geschickli­chkeitsspi­el, bei dem beide Spieler automatisc­h immer gleich oft gewinnen. Somit hört keiner frustriert auf und es wird immer weitergesp­ielt. „Manche Eltern hatten die Beratung schon nötig. Es gab aber auch Väter, da hat man gemerkt, dass sie selber zocken“, sagt Palme schmunzeln­d.

Niels Pruin vom Caritasver­band der Diözese referierte über Internetsu­cht. „Wichtig ist nicht, wie lang bin ich im Netz, sondern warum“, erklärte Pruin den Zuhörern. Solange Computersp­iele nicht die einzige Methode seien, um abzuschalt­en, sei alles okay. Als er erklärt, dass am Handy wesentlich mehr gezockt wird als am PC, geht ein Raunen durch die Zuhörer. „Beim Handy werden Eltern nicht hellhörig. Wenn der Sohn aber den ganzen Tag im dunklen Zimmer hockt, zwei Bildschirm­e vor der Nase, dann schon“, sagt Pruin.

Als Leiter des Fachgebiet­s Medien- und Internetsu­cht hat Pruin bereits viele Vorträge zu diesem Thema gehalten. Aber auch für ihn ist die Medienmess­e eine neue Erfahrung: „Das persönlich­e Gespräch auf einer Messe hatte ich noch nie. Das ist richtig cool. Ich bin überrascht wie sehr das angenommen wird. Redebedarf ist da.“Oftmals hätten die Eltern das richtige Bauchgefüh­l, wenn es um die Medienerzi­ehung ihrer Kinder geht, ist Pruin aufgefalle­n. „Sie sind nur unsicher, handeln aber normal richtig.“

Michael Mennecke, besser bekannt als der „Computer-Michel“aus Röthenbach, erklärte, wie Eltern die Accounts ihrer Kinder richtig einstellen und wie sie am Router die Internetze­it begrenzen können. „Es kamen auch Eltern zu mir, die absolut keinen Plan hatten“, sagt er. Die hätten sich im privaten Gespräch getraut, endlich einmal Fragen zu stellen, für die sie sich sonst schämen. Was ist ein Browser? Was ist Streaming? „Jeder spricht mit diesen Fremdwörte­rn. Die muss man auch mal erklären“, sagt Mennecke. Ein Browser ist ein Programm, mit dem man Internetse­iten öffnen kann. Beim Streaming werden Daten, etwa Filme, auf das Gerät des Nutzers übertragen und dort abgespielt. Anders als bei einem Download werden sie anschließe­nd wieder gelöscht.

Nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und Jugendlich­e kamen in die Mittelschu­le. Der elfjährige Luk Rauschenba­ch hörte sich beispielsw­eise den Vortrag zur Internetsu­cht an. Das Thema spiele auch in seinem Freundeskr­eis eine Rolle. Da er eine eigene Konsole besitzt, sei er beispielsw­eise auch schon „Suchti“genannt worden.

„Wir haben einen Nerv getroffen“, fasst Stefan Fürhaupter zusammen. Er ist Mitglied des Arbeitskre­ises Medienkomp­etenz, der die Messe veranstalt­et hat. „Ich arbeite in der Grundschul­e Reutin. Es sind auch Eltern von dort nach Lindenberg gefahren, das hat mich überrascht“, sagt Fürhaupter. Für den Arbeitskre­is steht außer Frage, dass es die Messe auch im nächsten Jahr wieder geben soll.

 ?? FOTO: DAVID SPECHT ?? Paul und Hanne Angele spielen auf der Medienmess­e in Lindenberg das Spiel „Plants vs. Zombies“.
FOTO: DAVID SPECHT Paul und Hanne Angele spielen auf der Medienmess­e in Lindenberg das Spiel „Plants vs. Zombies“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany