Dem Lindau von vor 500 Jahren begegnen
Theatergruppe Podium 84 zeigt „Die Pfaffenhochzeit zu Lindau“
LINDAU - Wie sich die Reformation auf die einstige Reichsstadt Lindau auswirkte, hat das Schauspiel „Die Pfaffenhochzeit zu Lindau“von Helga Sauermann auf die Bühne des Stadttheaters gebracht. Unter der Regie von Wolfgang B. Sutter behandelt das Stück, was sich damals auf der Insel im Bodensee zutrug. Das ganz unmittelbar, war das heutige Stadttheater doch einst die Barfüßerkirche.
Am Fronleichnamstag 1523 hat der Mönch Michel Hugo aus dem Barfüßerkloster den Geist der Reformation beschworen. Seine Rede gegen den Ablasshandel und den ausschweifenden Lebenswandel in der katholischen Kirche rief einen solchen Eklat hervor, dass Stadtpfarrer Johannes Faber floh. Aber noch ist der Vorhang geschlossen. Rechts nimmt das Musikerpaar Julia Scheier an der BarockHarfe neben Reneé Scheier an Drehleier und Travers-Flöte Platz.
Der schon in die Jahre gekommene Historiker Dr. Bernd Thomas (Werner Geis) und Theologie-Studentin Katrin Behr (Melanie Reissig-Heimann) eröffnen die acht Szenen. Sie mit Laptop, er in einem dicken Folianten blätternd. Beide trennen Welten. Ihr liegt an der Liebesheirat zwischen dem protestantischen Pfarrer Thomas Gassner (German Bader) und der Stiftsdame Katharina von Ramschwag (Katrin Stoll). Ihm geht es um die konfessionellen und politischen Hintergründe der Reformation. So werfen sie sich zwischen den Spielszenen die Bälle zu. Leider reichte die Stimme der Studentin oft nicht bis in die hinteren Reihen, was schade war.
Außerdem mischte sich ein Gaukler in das Geschehen ein. Ulrich Seitz mimte den Chronisten, der über die Zeit Kaiser Karls V. und über das Lindau vor 500 Jahren Bescheid wusste. Diese beiden Erzählebenen haben den Zuschauern die Geschichte erschlossen. Als der Vorhang sich schließlich öffnete, bot sich den Zuschauern ein wunderbares Schattentheater mit den unbewegten Akteuren vor weißer Wand im Bühnenhintergrund. Von hier aus traten jeweils die Protagonisten einer Szene nach vorn in Aktion. Das ergab gelungene Kontraste zwischen hell hervortretenden und dunkel zurückgesetzten Partien.
„Was für eine Höllenbrut in Lindau“, erhitzt sich Johannes Faber (Christoph Holzfurtner) über den Spott und Hohn, den die Anhänger Luthers über ihn ausschütten. Allerdings ist die Hälfte der Ratsherren bereits auf der Seite des aufrührerischen Hugo Michels, und so bleibt Faber nur die Flucht nach Konstanz. Sein Nachfolger in St. Stephan wird Vikar Sigmund Rötlin (Daniel Obermayer), der allerdings bald verstirbt. So wird der aus Bludenz stammende Thomas Gassner Lindaus neuer Stadtpfarrer.
Er ist ein besonnener Mann, in den sich die Stiftsdame Katharina von Ramschwag verliebt. Kathrin Behr und Bernd Thomas sind es, die immer wieder in lebhafte Zwistigkeiten über das wahre Geschehen geraten und zugleich Einblicke in damals Bestehendes geben. So kamen in dem vor 800 Jahren gegründeten katholischen Damenstift nur wohlhabende Frauen unter, die keine Nonnenkleider tragen brauchten und eheberechtigt waren.
Der Gaukler muss den Streit des jungen Ehepaars schlichten
Helga Sauermann als Fürstäbtissin Amalie von Reischach bekniet Katharina ein letztes Mal zu bleiben. In dieser Szene prallen alte und neue Welt aufeinander. Katharina hat lange mit sich, ihrem Glauben und ihrer erwachten Liebe gerungen. Jetzt gibt es für sie kein Zurück mehr, und heimlich schleicht sie sich vor der Trauung in der Barfüßerkirche zu Gassner. Sie ist nicht die dem Mann Ergebene – sie weiß sich zu behaupten.
Diese Paarszenen wechseln mit Bildern ab, die mit der Schneiderin Margarethe Mittlerin (Christiane Geiser) und deren Tochter Karolina (Daria Sürer), der Ratsherrenfrau Sauter (Christine Münzberg-Seitz) und weiteren jungen Stiftsdamen das leise Aufbrechen überkommener Strukturen beleuchten.
Sehr amüsant gebärdet sich das Aufeinandertreffen des Lindauer Bürgermeisters Oswald Kröll (Markus Rohn), der Ratsherren Konrad Sauter (Jürgen Schneider-Heise), Hans Varnbühler (Christoph Holzfurtner) und Franz Bodmer (Josef Hutter) mit den Überlinger Adeligen Freiherr von Wyler (Bruno Wahrnbichler) und Marchese Spinola (Francesco Haupt). Letztere können gegen den Ehebund nichts mehr ausrichten. Nur eines noch: „Stur und ungehorsam, das kennt man von den Lindauern!“
Am Ende streiten Katharina und ihr Gemahl über die Zerstörung des Inventars in St. Stephan. Ausmerzen wolle man alle Zeugnisse des Götzendienstes. Gassner gibt sich machtlos, und es tut sich ein breiter Spalt auf, den der Gaukler in der letzten Sequenz schließt: „Was von den einen aufgebaut, wird von den anderen zerstört – wie so oft. Malt Euch aus, wie sie einst war die kleine Stadt. Einiges war schon vorgedacht von uns voller Hoffnung und Träume.“